Risikoaspekte der Fleischerzeugung - Ergebnisse einer Expertenbefragung

39. Kulmbacher Woche

Die Expertenbefragung zu Risikoaspekten der Fleischerzeugung wurde 2002/2003 durchgeführt. 40 Experten (aus Praxis, Verwaltung, Untersuchungsämter, Wissenschaft) nahmen an der Befragung teil. Es wurde in zwei Phasen vorgegangen: Nach der Beantwortung eines schriftlich zugesandten Fragebogens (Themenbereiche: Futtermittel 23 Fragen, Landwirtschaft 21 Fragen und Schlachtung/Zerlegung 23 Fragen) wurde die Hälfte der Experten (n = 19) in erweiterter Form mündlich befragt. In der vorliegenden Studie werden lediglich ausgewählte Ergebnisse mitgeteilt. - Für die Untersuchung wurde ein spezifizierter Risikobegriff vorgegeben. Als Risiken sollten definiert werden:
  • real vorhandene Risiken,
  • Risiken, die real keine Gefahr für das Produkt Fleisch darstellen, aber als Risiko vom Verbraucher gesehen werden und sein Konsumverhalten bis hin zur Vermeidung des Produktes (Meideverhalten) beeinflussen.

Ein Punkt gilt dann als kritisch und wird in der Studie berücksichtigt, wenn

  • neutrale Kontrollen erschwert sind,
  • die Kontrollmethoden nur ein grobes Stichprobenraster zulassen,
  • Standards für die Kontrollen nicht existieren,
  • der Prozesspunkt ethische oder gesundheitliche Aspekte berührt,
  • der Prozesspunkt mit der stofflichen Zusammensetzung und den sensorischen Eigenschaften in enger Verbindung steht.

Im Bereich der Futtermittel sind folgende Punkte exemplarisch hervorzuheben:

  • Gentechnisch veränderte Pflanzen: Die Experten halten Auswirkungen von GVO auf das Endprodukt Fleisch und auf die Produktqualität (gesundheitliche Risiken) für wenig wahrscheinlich. Das durchaus wahrscheinliche Meideverhalten der Verbraucher findet also eher eine ethische, als eine substantielle Begründung. Schwein und Geflügel sind die vor allem betroffenen Tierarten.
  • Pflanzenschutzmittel zur Behandlung von Futtermitteln aus Drittländern: Die Experten halten eine Anreicherung solcher Wirkstoffe für möglich, wobei sie allerdings die Folgen für die Produktqualität gering einschätzen. Meideverhalten der Verbraucher wäre nicht auszuschließen. Dieses überwiegend als chemisch gesehene Risiko betrifft vor allem Schwein und Geflügel.
  • Rückverfolgbarkeit der Futtermittel: Hier spielen Zukauf der Produkte auf dem Weltmarkt, Mischung verschiedener Produkte und unklare Chargendefinition/-größe eine Rolle. In Zukunft wird eine eindeutig zunehmende Tendenz gesehen.

Im Bereich der Landwirtschaft sind erwähnenswert:

  • Zucht auf hohen Fleischanteil: Dies kann als züchterische Fehlentwicklung gesehen werden, die zu einem Meideverhalten führen könnte. Sehr weitgehend unstrittig sind mögliche Beeinträchtigungen der Produktqualität (speziell Schwein und Geflügel).
  • Futterzusatzstoffe mit der Auswirkung von Rückständen im Fleisch: Genannt werden vor allem Antibiotika und Hormone (illegaler Einsatz). Ganz überwiegend wird davon ausgegangen, dass dieses Problem in Zukunft (stark) abnimmt.
  • Belastung des Bodens durch Freilandhaltung von Geflügel und Schweinen: Diese
    überwiegend mikrobiologischen Belastungen erscheinen hoch wahrscheinlich, allerdings bei geringen Auswirkungen auf die Produktqualität und die Gesundheit der Verbraucher. Zudem wird die Toleranzschwelle des Verbrauchers in diesem Punkt für relativ hoch gehalten (kaum Meideverhalten).

Im Bereich der Schlachtung/Zerlegung treten als wichtige Punkte hervor:

  • Tierschutzwidrigkeit längerer Transporte: Die Experten gehen in sehr hohem Maße davon aus, dass der Verbraucher lange Transporte als tierschutzwidrig ansieht und daher auch mit entsprechendem Meideverhalten reagiert.
  • Kritische Punkte im Schlachtprozess: Als kritische Punkte sind offenbar die Hygiene ganz allgemein, die Entnahme des Magen-Darmtraktes und das Brühen anzusehen. Gegen diese mit bakterieller Kontamination verbundenen Punkte tritt die Rückverfolgbarkeit weit in den Hintergrund.
  • Kontrollen für Ware aus Drittländern: Die am häufigsten geforderten Kontrollen sind die den gesetzlichen Regelungen entsprechenden, mit Abstand gefolgt von Rückstands- und mikrobiologischen Kontrollen sowie die Eigenkontrollen des Herkunftslandes (incl. der Herkunftskontrolle). Trotz der kritischen Sicht werden die Risiken für überwiegend beherrschbar gehalten.

Als Schlussfolgerung bleibt festzuhalten, dass nach Meinung der Experten viele Risiken durch ein umfassendes HACCP-System bzw. ein entsprechendes allgemeines Verfahren der Risikobeherrschung minimiert werden könnten. Der Anschluss an ein neutral überwachtes und sanktioniertes Qualitätssicherungssystem ist daher empfehlenswert.

Quelle: Kulmbach [ W. BRANSCHEID, Ute RÖBKEN u. M. WICKE ]

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