Angehende Molkereimeister reisen als Trendforscher in die Bio-Zukunft
Teilnehmer des Bio InVision Camp® mit neuen Erfolgsrezepten
Der Nachwuchs nimmt die Zukunft in die Hand
Spitzenqualität fängt schon beim Rohstoff an
Die Weiden sind grün, Tiere und Menschen sind gesund; was hier wächst und produziert wird, schmeckt - es ist ein herrliches Land, dieses "Land des Weißen Goldes", das Florian Vobbe, Martin Weiherer und Alfred Lux als Collage in den Tagungsraum geholt haben. Doch bei aller Schwärmerei: Die Argumente für eine Milchwirtschaft, die vom Grashalm an auf höchste Qualität setzt, sind nicht von der Hand zu weisen.
"Der Rohstoff Milch ist das A und O bei der ganzen Produktion. Wenn die Kühe ausgewogen ernährt werden und sich ausreichend bewegen können, dann schmeckt man das einfach beim Joghurt, beim Quark und ganz besonders beim Käse", meint Florian Vobbe. Er selbst konnte erst kürzlich im heimatlichen Rosenheim die Probe aufs Exempel machen, indem er - mal ganz privat - aus der Almbauernmilch eines befreundeten Erzeugers mit einfachsten technischen Mitteln einen perfekten Rohmilchkäse herstellte. Das Molkereihandwerk wird aus Sicht der jungen Visionäre zurück zur Natur gehen, um mit dem geänderten Verbraucherverhalten Schritt zu halten.
Dem Verzicht auf künstliche Aromen und Zusatzstoffe geht ein anderer Umgang mit dem tierischen Milchlieferanten voraus: "Warum nicht Wellness für die Kuh statt Pharma-Prophylaxe?", schlägt Joachim Behr vor. Die Rechnung geht aus seiner Sicht auf: Gesündere Kühe geben gesündere Milch - und die ernährt gesündere Menschen. "Heute ist bekannt, dass Omega-3-Fettsäuren in Milch und Molkereiprodukten Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorbeugen. Ich bin sicher, dass schon in naher Zukunft weitere Studien die weiße Linie zur Naturmedizin adeln", meint Alfred Lux.
Kassenschlager kommen aus der Kräuterküche
Bio galt nach BSE und anderen Skandalen auch in vielen Molkereien als Absatzbringer mit großer Zukunft. Der Grund, warum sich die hohen Erwartungen nicht für alle erfüllt haben, liegt für Metin Gül auf der Hand: "Der Verbraucher muss für Bio-Produkte mehr bezahlen. Mit den gleichen Rezepturen, die auf konventioneller Basis schon zigmal im Kühlregal stehen, kann der Grund dafür aber kaum vermittelt werden", meint der 22-Jährige. Der Geschmack ist aus seiner Sicht entscheidend für den Erfolg, und dazu braucht man Produktinnovationen, die wirklich zum Probieren und Immer-Wieder-Kaufen verlocken.
Sein Kollege Michael Leuschner greift die Idee auf: "Wir machen Käse mit Obstlerschmierung, den könnte man dann "Pennerglück" nennen. Und dann die "Kräuterhexe" mit Salbei, Brennnessel oder Löwenzahn, Hanfjoghurt und eine ganz neue Art von Joghurtdressings." An Ideenreichtum mangelt es den jungen Molkereimeistern nicht. Gerade das stetige Wachstum der Großen sehen sie als Zukunftschance für die Kleinen.
Hofkäsereien beispielsweise können mit ihren regionalen Spezialitäten eine ganz andere Art von Kundenbindung erzeugen. "Die Leute kommen, weil sie die Alternative zum Supermarkt-Einerlei suchen und weil sie im Schaubetrieb sehen können, wie ihr Käse entsteht. Und dann ist da dieses Heimatgefühl, das den Produkten einen unschlagbaren Mehrwert verleiht", meint Florian Vobbe. Aber auch die Fitness-Welle gehört aus Sicht des Nachwuchses mit in die Erfolgsstrategie. Von Molkebädern über Eiweißdrinks und Energy-Joghurts bis hin zu speziell auf den Nährstoffbedarf abgestimmten Produkten sehen sie ein enormes Entwicklungspotential.
Von der "Weißen Linie" zum "Weißen Gold"
Inspiriert von ihren Erfahrungen im "Land des Weißen Goldes", wollen die Zeitreisenden dem Verfall der Milchpreise und dem Trend zur Billig-Ernährung mit einem Image-Kick zu Leibe rücken. "Milch ist der Schlüssel zur gesunden Ernährung, und genau die muss dem Verbraucher wieder lieb und teuer werden", erklärt Markus Blumensteck.
Schon in der Präsentation ihrer Produkte wollen sie auf einen Blick zeigen: Hier steckt garantiert höchste Bio-Qualität drin, und die ist ihr ganzes Geld wert. Die Güte-Siegel ökologischer Anbauverbände sind gerade in der Milchwirtschaft Türöffner auf dem Weg zum Verbrauchervertrauen. Doch die wahre Überzeugungsarbeit muss aus ihrer Sicht von Mensch zu Mensch geschehen, nämlich durch motivierte und überzeugte Verkäufer, die den Kunden umfassend in allen Fragen der Ernährung beraten können.
"Vertrauen gewinnt man durch Regionalität und Offenheit", da ist sich Joachim Behr sicher. "Wenn die Leute wissen, wo ihre Lebensmittel herkommen, und wenn sie gut informiert werden, dann können uns Lebensmittelkrisen nicht mehr erschüttern." Insofern sieht er in der Öffnung des Marktes nach Osten auch keine echte Konkurrenz. Für Uwe Tünnermann hat die Bio-Molkerei der Zukunft noch einen weiteren Mehr-Wert, den es zu kommunizieren gilt: "Ich stelle mir einen Betrieb vor, der nicht nur Naturprodukte produziert, sondern auch ökologisch einwandfrei wirtschaftet. Dazu zählen der Einsatz regenerativer Energien und der Verzicht auf chemisch-synthetische Spritz- und Düngemittel ebenso wie die artgerechte Haltung der Tiere. Und warum sollte man durch eine Kopplung mit ökologischen Förderprojekten nicht wertvolle Synergie-Effekte für den eigenen Markterfolg nutzen?"
Prämie für gesunde Ernährung?
Das Bio-Siegel hat in den vergangenen Jahren viel zur Aufklärung des Verbrauchers beigetragen und die Kaufbereitschaft für Bio-Produkte angekurbelt. Der Knackpunkt ist für viele Verbraucher jedoch nach wie vor der höhere Preis, der einem billigen Massenangebot gegenüber steht. Durch eine ökologisch und ökonomisch bessere Logistik wollen die jungen Futurologen diesem Argument die Kraft nehmen und Bio für alle zur erschwinglichen und attraktiven Alternative machen.
"Wir vermarkten unsere Produkte da, wo sie herkommen, und senken so die Transportkosten", schlägt Abdulazim Sayed vor. "Auf Wochenmärkten, im Direktvertrieb, als Abo-Kiste, im Naturkostladen, im Supermarkt - je mehr Vertriebsschienen wir haben, desto größer wird unser Kundenkreis." Eigene Sparmaßnahmen sind gut, doch auch der Staat sollte nach Ansicht der jungen Molkereimeister einen Teil der Verantwortung übernehmen.
Wer den ökologischen Landbau durch den Kauf von Bio-Produkten fördert, erhält in ihrem Prämien-Szenario gegen Vorlage der gesammelten Kassenbons steuerliche Vergünstigungen. Und auch die Krankenkassen zeigen sich hier den Bio-Konsumenten gewogen: Die Versicherten, die sich gesund und vollwertig ernähren, sind seltener krank und können sich am Quartalsende einen Teil ihrer eingezahlten Beiträge zurückholen - eine verlockende Vorstellung, die sicher so manchen Verbraucher auf den gesunden Geschmack bringen würde.
Die Visionen der Meisterschüler sind erste Schritte auf dem Weg in die Zukunft. Sie werden vom 26. bis zum 29. September 2004 auf der InterMopro in Düsseldorf am Messestand BMVEL-Spezial "Ökologischer Landbau und Verarbeitung" in Halle 4, Stand A19 im Rahmen einer Multimedia-Präsentation vorgestellt. Beim Bio InVision Camp® handelt es sich um eine Maßnahme des Bundesprogramms Ökologischer Landbau, initiiert vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. Das Bundesprogramm informiert neben Landwirten, Verarbeitern und Händlern insbesondere die Verbraucher über den ökologischen Landbau. Weitere Informationen finden Sie unter http://www.oekolandbau.de/.
Eine Präsentation der Ergebnisse des Camps können Sie hier als [pdf-Datei] herunterladen.
Lesen Sie [hier], was junge Köche beim 1. BioInvision Camp in Hamburg entwickelten, [hier] was sich die Bäcker beim 2. BioInvision Camp in Weinheim einfallen ließen und [was] den Fleischern in Frankfurt einfiel.
Quelle: Wangen / Düsseldorf [ mdemconclusa ]