Vom Analphabetismus des Fleischkonsumenten

Ein Umdenken ist angesagt, will das Fleischerfachgeschäft zeitgemäß kommunizieren.

Drastische Worte fand Prof. Peter W. Hübner von der HÜBNER – Unternehmenskommunikation, Frankfurt/M. auf der Jahrestagung der Gesellschaft zur Förderung des Fleischerhandwerkes (GFF) in Friedberg/Hessen, wo er als Gastreferent einen ganzen Vormittag lang das Repertoire der Kommunikationsmöglichkeiten vor den Teilnehmern ausbreitete.

Die waren ob der Deutlichkeit des Referenten höchst aufmerksam. Denn das Szenario, das Hübner malte, hatten sie in der Klarheit selten vernommen.

Kundenbindung ist für Hübner selbstverständlich, Kundenpflege auch. Aber nach dieser „Pflicht“ kommt eben erst die „Kür“, zu der viele Fleischerfachgeschäfte im Tagesgeschäft gar nicht erst vorstossen! Er nennt den Kunden nicht „Neukunden“, er kennzeichnet ihn als „Nichtkunden“ und verschärft damit den Ansatz, sich dieser verlorengeglaubten Spezies mit allen Möglichkeiten anzunehmen.

Doch Prof. Hübner legt noch eins drauf, denn seiner Meinung nach ist ein Gutteil der Nichtkunden zugleich vom „FleischverbraucherAnalphabetismus“ beherrscht. Eine doppelte Herausforderung an die Kommunikation der Branche, wie er meint.

Was nützen die besten Beschreibungen beim Bewerben der Produkte, wenn der Verbraucher es nicht versteht? So lange er u.a. Rinder- vom Schweinefleisch nicht unterscheiden kann, Spezialitäten, bestimmte Stücke und auch die Zurichtung und Zubereitung des Fleisches nicht mehr kennt, sprechen Sie nicht mehr seine Sprache. Und er meidet dann auch das Fleischerfachgeschäft, weil er sich dort „outen“ könnte und greift lieber in die Kühlregale mit Abgepacktem im Supermarkt. Der hat es erkannt und bietet diese anonyme Einkaufsform parallel zur Fleischtheke eben genau für den schnellen wie auch unbedarften Kunden. Hier kann er unbeobachtet seine Auswahl treffen.

Man darf es dieser Verbrauchergruppe nicht mal zum Vorwurf machen. Zwar wird in den letzen 10 Jahren ca. 26 Minuten mehr Zeit pro Tag für die Mahlzeiten aufgewendet, auch durchaus zu Hause. Auch die Frau steht nach wie vor primär „am Herd“. Doch dank Convenience und Halbfertigprodukten, vermeintlicher Zeitknappheit und Desinteresse rauscht der Zubereitungsprozess durch die vervollkommnete Küchentechnik direkt auf den Tisch (und keiner hats gemerkt). Die Kinder kennen eher die Hersteller- Produktnamen als alles andere. Sie werden eben nicht mehr herangeführt, wirken an der Speisenzubereitung nicht mehr mit. Falschverstandene Dienstleistungegesellschaft bis ins Wohnzimmer.

Es gab übrigens noch nie so viele Kochsendungen im Fernsehen wie derzeit, doch hat das die Kenntnisse beim Verbraucher nicht nachhaltig verbessert.

Das Fleischerfachgeschäft macht sich viel zu wenig Gedanken um diese Nichtkunden, geht oft von Voraussetzungen aus, die nicht mehr der Realität entsprechen.

Und agiert dann mit - wie Hübner es nennt - „adHoc-Kommunikation“ und Einheitskommunikation, die eben eher einer Bestandskundenbindung gleichkommt als wirklich auf das Neukundengeschäft zielt. So fordert Hübner ein Umdenken, zugleich aber eine Identitätstreue zum Betrieb.

Nach seiner Analyse fehlt es in der Mehrzahl der Fleischerfachgeschäfte an einem Leitbild, an Zielen und Klarheit über die eigene Identität im Markt. Es regiert eher das gesunde „Bauchgefühl“ für den Markt, was nicht verkehrt, aber in einer komplexeren Marktsituation heute nicht mehr ausreichend ist.

Ideenreichtum / Kreativität ist auch vom Fleischermeister gefragt, will er seinen Kundenkreis erweitern. Hübner plädiert dafür, die jahreinjahraus praktizierten Kommunikationsmaßnahmen auf den Prüfstand zu stellen. Und sich auf einen langen Weg zu machen, der bereits bei den Kindern und Eltern beginnt.

„Wann haben Sie sich das letzte Mal in Ihren Nichtkunden hineinversetzt, überlegt, wo er sich aufhält, wie er als Verbraucher agiert?“ fragt Prof. Hübner in die Runde. Da hilft der Aufsteller vor dem Fachgeschäft oder die traditionelle Anzeige herzlich wenig, er reagiert darauf nicht. Das geht sogar soweit, dass Imbißbesucher von Metzgereien regelmäßig den Imbiß nutzen, aber nie einen Schritt zur Fleischtheke tun, wie ein Seminarteilnehmer bestätigt. Hübner wundert es nicht. Denn die Hemmschwelle ist groß.

Prof. Hübner hat mannigfache Lösungsansätze parat, die er an dem Vormittag anspricht, warnt aber vor dem Glauben an Patentrezepte. Jede Situation im Fleischerfachgeschäft ist individuell, so individuell wie jeder Betrieb mit seinen Produkten, und das ist auch gut so. „Haben Sie Geduld in der Kommunikation – denken mind. Sie in Dreijahres-Zyklen. Und legen Sie einen „Kommunikationsteppich“ aus, der Sie das ganze Jahr über bei verschiedenen Teilzielgruppen im Gespräch hält“, rät er den Teilnehmern. Denn eine kontinuierliche Kommunikationspolitik ist in jeder Hinsicht effizienter und entfaltet auch innerbetrieblich eine nützliche strukturpolitische Wirkung.

Er macht den Teilnehmern des Seminars dabei durchaus Hoffnung, dass Verbesserungen meßbar würden, wenn strategisches und geplanteres Agieren die adhoc-Kommunikation ablöst. Aber eben nicht von heute auf morgen.

Über Prof. Peter W. Hübner

Prof. Peter W. Hübner, Inhaber der HÜBNER Unternehmenskommunikation, Frankfurt /M. ist ein ausgewiesener Experte, wenn es um kreative Lösungsansätze in der Unternehmenskommunikation geht. Nicht große investitionen in die Kommunikation und Werbung stehen bei ihm im Vordergrund, sondern das zunächst kreative „UmdieEcke-denken“, die Besinnung auf die eigenen Ressourcen, das Verändern der eigenen Sichtweisen auf veränderte Märkte und Situationen.

Der Mittelstand, den Hübner im Schwerpunkt berät, kann so mit seiner Hilfe auch mit kleinen Budgets die Kommunikation effizienter und zielgerichteter gestalten. Eine wichtige Zielsetzung der HÜBNER Unternehmenskommunikation.

Quelle: Friedberg [ wrm ]

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