Im Osten nichts Neues? - Die Ernährungswirtschaft nach der EU- Erweiterung

Die deutsche Ernährungsindustrie zieht eine positive Bilanz der EU-Osterweiterung. Die Erweiterung nach Osten zum 1. Mai 2004 hat den Handel mit Lebensmitteln und Getränken weiter liberalisiert und vereinfacht. Die deutsche Ernährungsindustrie hat diese Chancen genutzt. Die Exporte in die neuen Beitrittsländer wurden bereits von 1997 bis 2003 um 31% gesteigert. 2004 Jahr konnten die Exporte nochmals um überdurchschnittliche 10,8% ausgebaut werden - zum Vergleich die gesamten Exporte stiegen um 4,9%. Insgesamt wurden 2004 deutsche Lebensmittel im Wert von 1,6 Mrd. Euro in die neuen EU-Mitgliedsstaaten exportiert.

Absatzchancen eröffnen sich für die deutschen Exporteure vor allem dort, wo die einheimischen Produzenten noch mit dem Strukturwandel und der Anpassung an EU-Standards zu kämpfen haben. Die steigende Nachfrage der osteuropäischen Verbraucher nach qualitativ hochwertigen Produkten begünstigt zudem deutsche Lebensmittelhersteller. Deutsche Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukte, aber auch Brot und Backwaren sowie Süßwaren profitieren von den neuen Märkten.

Die vielfach geäußerten Befürchtungen, die EU-Erweiterung werde zu einem starken Mengen- und Preisdruck auf den alten EU-Märkten führen, haben sich nicht bewahrheitet. Die langfristigen Vorbereitungen der Osterweiterung z.B. durch Assoziierungsabkommen sorgten für eine verträgliche Anpassung. Bereits vor dem Beitritt wurde der Warenverkehr durch sog. Doppel-Null-Lösungen liberalisiert, in deren Rahmen die zollfreie Ein- und Ausfuhr im Rahmen von Kontingenten geregelt wurde.

Osteuropäische Hersteller nutzen ihre Chancen

Natürlich haben auch die osteuropäischen Anbieter von der Marktöffnung profitiert. Ihre Exporte konzentrieren sich derzeit in erster Linie auf Produkte, deren Herkunft für den Verbraucher am Markt nur schwer wahrnehmbar ist, weil sie fast sämtlich weiterverarbeitet werden, wie beispielsweise Milchpulver. Dieses zusätzliche Mengenangebot war teilweise sogar willkommen, weil das Aufkommen der EU-15 tendenziell zurückging und gleichzeitig der Weltmarkt mehr Nachfrage zeigte. Wichtigstes osteuropäisches Lieferland ist nach wie vor Polen.

Zukünftig wird die Konkurrenz aus den osteuropäischen Ländern für die deutsche Ernährungsindustrie sicherlich größer werden. Der Nahrungsmittelsektor der neuen Mitgliedsländer wächst seit 2002 deutlich stärker als die übrige Industrie dieser Länder. Der Anteil der Neuinvestitionen ist überdurchschnittlich hoch, so dass sich die Produktionstechnologien verbessern werden und damit auch Qualität der Produkte und die Produktivität der Betriebe.

Marktperspektiven in Osteuropa günstig

Wesentlich für den Erfolg deutscher Lebensmittel in Osteuropa ist das sehr positive Image, das die Produkte bei den Verbrauchern aufgrund ihres hervorragenden Preis-Leistungsverhältnisses und der ansprechenden Aufmachung und Verpackung genießen. Dies kommt dem Wunsch vieler Konsumenten nach mehr Abwechslung im Lebensmittelangebot entgegen. Nicht zuletzt drückt sich im Konsum westlicher Lebensmittel auch der Wunsch nach einer Adaption eines westlich orientierten Lebensstils aus.

Die osteuropäischen Länder befinden sich im europäischen Vergleich gemessen am verfügbaren Einkommen nach wie vor am unteren Ende der Rangfolge der EU-Länder. Die Slowenen verfügen mit 8.391 Euro jährlich über das höchste Einkommen während die Slowaken und Letten lediglich über weniger als 3.000 Euro pro Jahr frei verfügen können. Zum Vergleich dazu: in Deutschland liegt das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen bei jährlich 17.087 Euro.

Konsumentwicklungen in Ost und West nähern sich an

Obwohl die aktuelle Kaufkraft der europäischen Länder z. Zt. noch vergleichsweise gering ist, beurteilt die deutsche Ernährungswirtschaft die zukünftigen Absatzpotentiale von Lebensmitteln in den osteuropäischen Nachbarländern sehr positiv. Bei einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 5%, im Baltikum sogar von über 7%, werden die verfügbaren Einkommen deutlich aufholen. Experten gehen davon aus, dass mit der steigenden Kaufkraft breiterer Konsumentenschichten die Nachfrage nach hochwertigen Produkten, insbesondere von Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukten aber auch von fertig zubereiteten Lebensmitteln steigen wird. Mega-Trends wie Convenience und Gesundheit spielen auch in Osteuropa eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Märkte.

Die Konsumverhaltensmuster der osteuropäischen Verbraucher werden sich den Entwicklungen in Westeuropa weiter annähern. Zunehmend werden beispielsweise Gesundheitsaspekte in die Kaufentscheidung mit einbezogen. Ein wachsendes Gesundheitsbewusstsein hat bereits dazu geführt, dass verstärkt auf eine gesunde kalorienarme Ernährung geachtet wird. Fleischprodukte werden bereits vermehrt durch Milchprodukte ersetzt und Obst und Gemüse fetthaltigen Produkten vorgezogen.

Erfolgreiche Marktbearbeitung durch Export und Investitionen

Deutsche Unternehmen, die in Osteuropa erfolgreich sein wollen, sollten drei wesentliche Aspekte beachten. Wichtige Voraussetzungen für den Erfolg auf diesen Märkten sind eine langfristig ausgerichtete Strategie, ein starkes Engagement in vertrauensbildende Maßnahmen und die enge Zusammenarbeit mit passenden lokalen Partnern. So können Schwierigkeiten im Umgang mit lokalen Behörden leichter bewältigt werden.

Der erste Schritt in Richtung dieser neuen Absatzmärkte wird vernünftigerweise durch den Export erfolgen. Die Anuga bietet hervorragende Möglichkeiten, neue Kontakte zu osteuropäischen Geschäftspartnern zu knüpfen. Wenn eine stabile Marktpräsenz und lokale Erfahrung vorhanden sind, kann in einem weiteren Schritt ein stärkeres Engagement im Markt in Form einer Direktinvestitionen folgen.

Für Investitionen ist die Region nach wie vor attraktiv. Die osteuropäische Ernährungsindustrie erholt sich zunehmend von den scharfen Produktionseinbrüchen aufgrund des politischen und gesellschaftlichen Umbruchs. Die Nähe zu wachsenden Absatzmärkten und nicht zuletzt die geringen Lohnkosten machen den Standort für deutsche Investoren nach wie vor sehr interessant. So haben namhafte Unternehmen wie beispielsweise Ferrero oder Dr. Oetker bereits eigene Standorte aufgebaut und produzieren für die dortigen Märkte.

Bislang hatte der Standort Deutschland für Unternehmen der Ernährungsindustrie jedoch deutliche Strukturvorteile gegenüber den meisten osteuropäischen Standorten. Diese Vorteile sind insbesondere in einer guten Ausstattung mit Sach- und Humankapital und infolge dessen in einer hohen Produktivität der Unternehmen zu sehen.

Dennoch müssen sich Hersteller von Lebensmitteln und Getränken in Deutschland noch deutlicher auf ihre Erfolgsfaktoren konzentrieren; langfristig können wir uns nur mit hochwertigen Qualitätsprodukten und einen hoher Servicegrad gegenüber der Konkurrenz aus Osteuropa positionieren.

Intensiver Wettbewerb im Lebensmittelhandel

In den Beitrittsländern prägen nach wie vor kleine Einzelhandelsgeschäfte die Handelslandschaft vor Ort. Die Konzentration ist weit weniger ausgeprägt als in Westeuropa. Deutsche Exporteure von Lebensmitteln stehen aber dennoch hauptsächlich den großen internationalen Handelsketten als Absatzpartner gegenüber, die seit Jahren massiv in den Aufbau ihrer Marktpositionen in Osteuropa investiert haben. Anfang 2004 waren deutsche Handelsgruppen bereits mit mehr als 2.000 Filialen in Polen, Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Slowenien vertreten. Der Vertriebstyp Discount zählt auch hier zu den Exportschlagern des deutschen Handels. Darüber hinaus sind alle namhaften Händler aus Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und Österreich im Markt präsent. Der Wettbewerb um die kaufkräftigen Kunden ist daher bereits heute sehr intensiv. Mittelfristig werden sich die Strukturen im Lebensmittelhandel an die Entwicklungen in der alten EU annähern.

Quelle: Berlin [ bve ]

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