Einsatz probiotischer Bakterien bei Fleischerzeugnissen
41. Kulmbacher Woche - Kurzfassung
Die Entwicklung von Lebensmitteln mit besonderem ernährungsphysiologischem Wert hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. Vom Einsatz probiotischer Bakterien soll nicht nur die Wirtschaft mit innovativen und wettbewerbsstarken Produkten profitieren, sondern auch der Konsument, dem bei täglichem Verzehr eine zumindest wohltuende wenn nicht gar gesundheitsfördernde Wirkung versprochen wird. Nach der sehr erfolgreichen Vermarktung solcher Kulturen in Milcherzeugnissen rücken jetzt zunehmend andere Lebensmittel in den Mittelpunkt des Interesses.
Bei den Fleischerzeugnissen sind es die Rohwürste, die als geeignetes Vehikel für entsprechende Mikroorganismen angesehen werden. Diese gereiften, nicht erhitzten Fleischerzeugnisse enthalten pro Gramm in der Regel 50-500 Mio. Milchsäurebakterien, die wesentlich zur Verzehrssicherheit dieses Lebensmittels sowie zu den sensorischen Produkteigenschaften beitragen. Auf Grund der allgemein akzeptierten Anforderungsprofile für probiotische Mikroorganismen (unter anderem: signifikante Komponente der Darmflora gesunder Menschen, Überleben der Magen-Darm-Passage bzw. Säure-Galle-Resistenz, Adhäsion an Darmzellen), wird den heute üblichen Reifekulturen für Rohwurst mit Ausnahme von Lactobacillus plantarum keine probiotische Bedeutung beigemessen. Andererseits sind die meisten probiotischen Bakterien nicht in der Lage, sich im vergleichsweise unwirtlichen Rohwurstmilieu zu vermehren bzw. dort in relevanter Keimzahl, das heißt mit mehr als 1-10 Mio. Keimen pro Gramm, zu überleben.
Bei der Entwicklung probiotischer Kulturen für Fleischerzeugnisse werden zwei Strategien verfolgt. Zum einen hat man versucht, bereits etablierte probiotische Milchsäurebakteren aus dem Milchbereich einzusetzen, zum anderen sucht man in natürlich fermentierten Fleischerzeugnissen nach Kulturen, die probiotische Anforderungsprofile erfüllen. Getestet wurden unter anderem Stämme der Lactobacillus acidophilus und der Lactobacillus casei Gruppe, sowie Bifidobacterium spp.. Relativ gute Erfolge wurden dabei mit L. casei, L. paracasei und L. rhamnosus Stämmen erzielt. Aus Rohwurst wurden Stämme von L. plantarum und L. pentosus isoliert, die probiotische Eigenschaften aufweisen und zugleich als Starterkulturen einsetzbar sind.
Es gibt zur Zeit keine Studien, die eine eindeutige, langfristige Gesundheitswirkung durch den Verzehr probiotischer Rohwürste belegen. In einer Studie wurden jedoch Hinweise gefunden, die auf eine immunstimulierende Wirkung beim Menschen nach regelmäßigem Verzehr von mit L. paracasei gereifter Rohwurst hindeuten. Die fehlenden Belege und die damit verbundenen Unsicherheiten sind ein wesentlicher Grund, warum bis heute nur wenige Hersteller probiotische Fleischerzeugnisse anbieten.
Ähnlich wie bei probiotischen Milcherzeugnissen werden auch bei den im Handel erhältlichen probiotischen Rohwürsten nicht immer die Mikroorganismen gefunden, die ausgelobt sind. Das liegt zum einen daran, dass die Stämme nicht richtig identifiziert wurden bzw. der aktuelle Stand der Taxonomie nicht berücksichtigt wurde, zum anderen daran, dass teilweise Stämme im Handel sind, die bereits den Fermentationsvorgang nicht überleben. Zu letzteren gehören u.a. L. acidophilus und Bifidobacterium spp.
Mittelfristig könnten sich neben L. casei / paracasei auch bestimmte Stämme von L. plantarum und L. pentosus als probiotische Kulturen für Rohwurst etablieren. Stämme der letzten beiden Spezies werden schon lange als Starterkulturen für Rohwurst vermarktet. L. casei Stämme wurden dagegen traditionell bei der Herstellung von Milcherzeugnissen eingesetzt und werden erst seit kurzem auch als Starterkulturen für die Herstellung von Rohwurst angeboten.
Es wird im Einzelfall zu prüfen sein, welche Produkte sich mit den neuen probiotischen Kulturen herstellen lassen, da spontan reifende Rohwürste europäischen Typs in der Regel von den in diesem Milieu wesentlich konkurrenzfähigeren Spezies Lactobacillus sakei und Lactobacillus curvatus dominiert werden. Die Entwicklung eines Marktes für probiotische Fleischerzeugnisse wird aber auch wesentlich von der Entwicklung der europäischen Rechtssetzung zu gesundheitsbezogenen Angaben bei Lebensmitteln abhängen.
Quelle: Kulmbach [ KRÖCKEL, L. ]