Kulmbacher Kolloquium zum langen Weg der Lebensmittelqualität
Honikels Abschied
Am 27. November 2006 wurde der langjährige Leiter der ehemaligen Bundesanstalt für Fleischforschung, Dir. und Prof. Dr. Karl Otto Honikel, mit einem wissenschaftlichen Kolloquium in der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel, Kulmbach (BfEL) geehrt. Das Thema „Lebensmittelqualität – ein langer Weg“ war nicht zuletzt auch eine Rückbesinnung auf 34 Jahre Forschertätigkeit, die offiziell zum Jahresende ihren Abschluss findet. Sechs Vorträge zeigten die Vielfalt, die die Ernährungsforschung heute prägt.Vor 50 Gästen und dem vollständig versammelten Kulmbacher Standort der BfEL rückte deren kommissarischer Leiter MinDirig Fritz Johannes die Veranstaltung ins richtige Licht: „Ein Abschied mit Arbeitsatmosphäre ist das, was wir uns für diesen Tag gewünscht haben.“ Entsprechend „harte“ Kost wurde von den sechs in- und ausländischen Referenten geboten. Tief in die Biochemie verstieg sich Prof. Dr. Eero Puolanne, Leiter des Departments für Lebensmitteltechnologie an der Universität Helsinki. Er zeigte wie Energie im Muskel gewonnen wird, im lebenden Muskel, aber auch bei der Fleischreifung. Da die Züchtung unsere Fleischschweine und -rinder in eine Situation gebracht hat, in der die Muskelenergie nur noch in Bruchteilen dessen ausgenutzt wird, was möglich ist, merkte Puolanne an, dass umgedacht werden müsse: „Wir können Schweine nicht so züchten, dass Tiere mit der Physiologie von Hühnern daraus werden“. Das heißt weiter gefasst: Die Behandlung der Tiere und des gewonnenen Fleisches sollten so gesteuert werden, dass Qualitätsmängel mit übermäßigem Saftverlust vermieden werden.
Biochemische Erkenntnisse nutzte auch Prof. Dr. Franz Smulders von der Universität Wien, der bei seinen Untersuchungen an Rindfleisch auf kuriose Ergebnisse stieß: „Wir stellen fest, dass das Fleisch links besser als rechts ist“. Warum das so ist, klärt sich vordergründig leicht: An der linken Körperseite werden die Schlachtkörper sofort nach der Schlachtung aufgehängt, der starke Zug macht die Muskulatur weich. Hintergründig ist aber noch völlig unklar, was da bei der Fleischreifung abläuft. Trotzdem zeigten Fleischverarbeiter und Metzger in der Diskussion großes Interesse, das Verfahren in der Praxis zu nutzen.
Eine Biochemie ganz anderer Art präsentierte Prof. Dr. Hans Steinhart, Leiter der Abteilung Lebensmittelchemie an der Universität Hamburg. Bei ihm ging es um Steroidhormone, also jene Stoffgruppe, die in der Sportszene weitläufig als heimlicher Helfer bekannt ist. Anabolika und Steigerung der Fitness sind die Stichworte. „Wir nutzen diese Hormone natürlich anders“, beschwor der Lebensmittelchemiker „denn sie hinterlassen im Rindfleisch Spuren, die wir lesen können“. Bestimmt man eine ganze Serie von Steroidhormonen, so kann man aus dem Verhältnis der Hormone zueinander Schlussfolgerungen ziehen. War das Tier, von dem das Fleisch stammt, männlich oder weiblich, war es ein Ochse oder ein Jungbulle, war es ein halbes Jahr oder zwei Jahre alt. Wenn man sie lesen kann, erzählen Hormone also eine Geschichte, die schließlich auch mit Qualität zu tun hat: Jung ist besser als alt und der Ochse zarter und saftiger als der Jungbulle. Mit der Hormonanalyse also ist bessere Kontrolle erreichbar.
Der Lebensmittelsicherheit mit ihren neuesten Entwicklungen war der Vortrag von Prof. Dr. Pedro Roncalés von der Veterinärfakultät in Zaragoza, Spanien, gewidmet. „Lassen wir doch die Verpackung für uns arbeiten“, forderte er auf. Das geht dann, wenn eine „aktive Verpackung“ im Spiel ist. Sein Vorschlag: Auf eine normale Folie wird ein Lack aufgebracht der Schutzsubstanzen enthält. Als Schutzsubstanzen bestens geeignet sind natürliche Extrakte aus Oregano und Rosmarin. Sie dampfen in der verbrauchsfertigen Verpackung aus und umgeben das Fleisch wie ein Schutzmantel, für Mikroben und Verderb keine Chance.
Für fränkischen Lokalpatriotismus hielt das Referat von Prof. Dr. Friedrich Bauer von der Veterinärmedizinischen Universität Wien guten Stoff bereit. Er führte die Zuhörer auf eine Reise durch Österreichs Wurstspezialitäten. „Das Wiener Würstchen ist ein Franke“, so seine Auskunft. Was heute in Wien als Frankfurter heiß geliebt wird, wurde im 18. Jahrhundert in Wien erstmals von Georg Lahner aus Gasseldorf bei Ebermannstadt feilgeboten. Aber auch vieles andere, was für die Österreicher als genussreiches heimisches Kulturgut erscheint, stammt aus den ehemaligen Kronländern der österreichisch-ungarischen Monarchie. Die Krainer, Debreziner und Krakauer oder polnischen Würste zeigen es.
Den Abschluss bildeten funktionelle Lebensmittel, beschrieben am Beispiel der Eiprodukte. Prof. Dr. Ingrid Seuß-Baum von der Hochschule Fulda klärte auf; „funktionell“ heißt danach: das Ei soll gesundheitliche Funktionen erfüllen, die man eigentlich nicht bei ihm vermuten würde. „Die Hoffnungen sind groß, aber die Möglichkeiten beschränkt“, dämpfte die Ernährungswissenschaftlerin den Optimismus. Omega-3-Fettsäuren sind schon allgemein bekannt, dazu kommen pflanzliche Fettstoffe, die Phytosterine, die Anreicherung mit Vitamin D oder E sowie mit den Mineralstoffen Jod und Selen. In der Diskussion wurde sich das Auditorium einig, dass besser als funktionelle Lebensmittel eine ausgewogene und vielfältige Ernährung ist.
In seinem Dank hob der Organisator der Tagung, der Wissenschaftliche Direktor Dr. Fredi Schwägele von der BfEL, hervor, dass es mit der internationalen Besetzung in einzigartiger Weise gelungen sei, die wissenschaftliche Bedeutung von Dr. Karl Otto Honikel zu würdigen: „Seine Schüler finden Sie über ganz Europa und weltweit verteilt, und das ist es was bleibt.“
Quelle: Kulmbach [ Wolfgang Branscheid - BfEL ]