Geschmacksforscher identifizieren "Artischocken-Rezeptor"

Es gibt 25 verschiedene menschliche Bittergeschmack - Rezeptorproteine.

Bislang wusste man nur von wenigen der Rezeptoren, welche Art von Bitterstoffen sie erkennen. Ein Wissenschaftlerteam um Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam- Rehbrücke (DIfE) identifizierte nun den TAS2R46 als den Rezeptor, der eine breite Palette von Bitterstoffen aus Artischocke und Kräutern erkennt. Somit leisten die Forscher einen weiteren wichtigen Beitrag zur Aufklärung der molekularen Mechanismen, die der Geschmackswahrnehmung zugrunde liegen.

"Unsere Zellkulturexperimente weisen darauf hin, dass der Bittergeschmack-Rezeptor TAS2R46 für die Wahrnehmung des bitteren Artischockengeschmacks verantwortlich ist, der durch die Bitterstoffe Cynaropicrin und Grosheimin hervorgerufen wird", sagt Anne Brockhoff, Erstautorin der Studie. "Daneben aktivieren aber auch noch andere Bitterstoffe aus Kräutern wie Beifuss, sowie Strychnin und Denatonium den Rezeptor. Der TAS2R46 besitzt damit ein sehr breit gefächertes Erkennungsprofil, das für die Wahrnehmung verschiedenster Bitterstoffe eine Rolle zu spielen scheint."

Die meisten der vom TAS2R46 detektierten Bitterstoffe lassen sich der Gruppe der Sesquiterpenlactone zuordnen. Viele dieser Substanzen sind pharmakologisch wirksam. Zu ihnen zählt auch das wirkungsvolle Malariamittel Artemisinin, das aus Blättern und Blüten des einjährigen Beifuss gewonnen wird. Die Ergebnisse der Forschergruppe deuten darauf hin, dass die Gamma- und Delta-Lactonringe der Bitterstoffe für die Aktivierung des Rezeptors entscheidend sind.

"Unsere eigenen Daten und die anderer Forschergruppen lassen vermuten, dass die meisten Bittergeschmack-Rezeptoren eher eine breite Palette von Bitterstoffen detektieren als spezifisch einen einzigen. Dies könnte erklären, wie der Mensch mit nur 25 verschiedenen Bittergeschmack-Rezeptoren mehrere tausend unterschiedliche Bittersubstanzen erkennen kann", erklärt Meyerhof. "Wenn es uns gelingt, die Eigenschaften der Rezeptoren so genau wie möglich zu bestimmen, wird es möglich sein, die molekularen Zusammenhänge zwischen Geschmackswahrnehmung und Ernährungsverhalten aufzuklären."

Anne Brockhoff et al.: Broad tuning of the human bitter taste receptor hTAS2R46 to various sesquiterpene lactones, clerodane and labdane diterpenoids, strychnine, and denatonium. Journal of Agricultural and Food Chemistry (2007)

Hintergrundinformation:

Der Geschmack ist von herausragender Bedeutung für die Nahrungsmittelauswahl sowie für die Ausbildung von Geschmacksvorlieben und -abneigungen. Damit beeinflusst er die Ernährung und schließlich unsere Gesundheit. Jedoch sind viele Prinzipien der gustatorischen Wahrnehmung und ihre Beziehung zum Ernährungsverhalten noch unbekannt.

Die Abteilung von Wolfgang Meyerhof am DIfE hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, den Einfluss der Geschmacks- und Geruchswahrnehmung auf das Ernährungsverhalten und die Gesundheit zu untersuchen. Die Forscher isolierten bereits Gene für die menschlichen Duftstoff-,

Bittergeschmack- und Süßgeschmack-Rezeptoren. Gleichzeitig entwickelten sie zellbasierte Messverfahren, um die molekularen Eigenschaften der Rezeptoren zu bestimmen und neuartige geschmacksaktive Substanzen aufzufinden. Bisherige Versuche zeigen, dass die Rezeptoreigenschaften die Geschmacksempfindlichkeit menschlicher Versuchspersonen verursachen und dass Wahrnehmungsunterschiede in der Bevölkerung durch Polymorphismen

(Variationen) in den Rezeptorgenen bedingt sein können. Die Auswirkungen dieser Zusammenhänge auf das Ernährungsverhalten sind bisher nicht erforscht. Die molekulare Evolution der Rezeptorgene spricht jedoch dafür, dass der Bittergeschmack eine wichtige Rolle während der Menschheitsentwicklung spielte.

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Zur Leibniz-Gemeinschaft gehören 84 außeruniversitäre Forschungsinstitute und forschungsnahe Serviceeinrichtungen. Leibniz-Institute arbeiten interdisziplinär und verbinden Grundlagenforschung mit Anwendungsnähe. Sie sind von überregionaler Bedeutung und werden von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter www.leibniz-gemeinschaft.de.

Quelle: Potsdam-Rehbrücke [ DIfE ]

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