Wurstwarenmarketing 2015 Erwartungen – Fakten - Thesen
Angela Schilling Schmitz berichtet vom Jahresmeeting 2008 des IVBFF: Ein Vortrag vonJürgen Görlach, JG Marketingberatung
Welche Bedeutung haben Fleisch und Wurstwaren aktuell, was bestimmt deren Marketingerfolg im Jahr 2015 und wie gestalten sich die neuen Wege der Fleischforschung? Die Beantwortung dieser und weiterer Fragen wurde seitens der Teilnehmer mit großer Spannung erwartet.
Rund jeder fünfte Umsatz-Euro wurde im Jahr 2006 mit Fleisch- und Wurstwaren erzielt. Damit steht die Branche in der deutschen Ernährungsindustrie weiterhin unangefochten an Platz 1. Das Segment zählt auch heute noch zu den Kundenmagneten und Spannenbringern und ist - bedingt durch seine spezifischen Frischeeigenschaften - ein nahezu konkurrenzloser Schnelldreher.
Ausgelöst durch einen kontinuierlich sinkenden Fleischwarenverzehr in den letzten Jahren, welcher nun auch im zweiten Jahr in Folge das SB-Segment betrifft, tut sich inzwischen auch der Discount schwer. Zunehmender Verdrängungswettbewerb, deutliche Rohstoffsteigerungen und verschärfter Konsumrückgang sind nur einige der Herausforderungen welche nach Einschätzung des Marketingexperten es auch in der Zukunft erfolgreich zu meistern gilt.
Die Preiselastizität der Nachfrage ist in diesem Segment besonders hoch!
Die Chancen bestehen seiner Ansicht nach neben einer Ausweitung auf den europäischen Markt, insbesondere in innovativen Produkten, der Erschließung neuer Segmente sowie einer kundenorientierten Kommunikation. Diese erläutert er den Teilnehmern mit folgenden neun Thesen näher:
These 1: Umorientierung der Konzerne birgt neue Chancen für den Mittelstand.
Bedingt durch die Renditeorientierung der Global Player haben diese wegen sinkender Bevölkerungszahlen, geringer Wachstumschancen und zu hohen Kosten zum Rückzug aus Europa geblasen. „Das ist die Chance des Mittelstandes“, erklärt der Profi, „sie erfordert jedoch Umdenken hinsichtlich Innovationen, neuer Strukturen, Verbraucherorientierung und insbe professionelles Marketing geht gar nichts.“
These 2: Die Globalisierung stärkt die Region.
Auch wenn es sich zunächst wie ein Widerspruch anhören sollte; Regionalität verknüpfen viele Menschen mit „da weiss man wie es schmeckt“. Ein Mehr an Sicherheit erfordert aber auch mehr Informationen. Und auch der Aspekt der Nachhaltigkeit gewinnt vor dem Hintergrund der Ressourcenverknappung zunehmend an Bedeutung. Erste Ansätze gibt es im Fleischbereich bereits, wie beispielsweise bei Rohschinken, Bratwürstchen oder auch Rohstoffe von regionalen Tierrassen.
Doch auch Regionalität muss dem Verbraucher durch entsprechende Kommunikation näher gebracht werden.
These 3: Ohne Wachstum keine Zukunft – Stillstand ist Rückschritt.
Das Wachstum gegen einen Trend wird nach Einschätzung des Marketingspezialisten zu einer der wesentlichen Herausforderungen in der Zukunft gehören. Als mögliche Strategien sieht er die Eröffnung innovativer Segmente, Nischenkonzepte sowie eine Verdrängung des Wettbewerbs durch Kostensenkung.
These 4: Innovationen sind der sichere Schlüssel zum Erfolg
„Nutzen Sie Trends wie Convenience, Frische und Gesundheit! DINKS (Double Income No Kids) und LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) heißen die Zielgruppen der Zukunft.
„Doch Vorsicht; der Wurm muss nicht dem Angler, sondern dem Fisch schmecken“, erinnert Görlach die Zuhörer. Es gelte daher nicht, bestehende Produkte weiter zu entwickeln, sondern Produkte wirklich neu zu erfinden. Wer brauche denn schließlich die tausendste Salami?
These 5: Neue Konzepte brauchen Tradition & Zeit.
Entwicklung braucht Zeit und bildet die Basis für neue Produkte. Mit einem Blick auf den internationalen Markt stellt er fest, dass der einstige Klassiker unter den TK-Produkten, die Pizza, mit Ausnahme von Deutschland, in den meisten anderen europäischen Ländern heute überwiegend als Chilled Food in der Kühlung angeboten wird. Weiteres Wachstumspotenzial bieten auch weiterhin Impulskäufe und der Außer-Haus-Verzehr.
These 6: Medikamente und Lebensmittel wachsen aufeinander zu.
War bis vor wenigen Jahren noch eine klare Abgrenzung zwischen Lebensmitteln und Medikamenten möglich, wird auch Erstgenannten heute eine Gesundheits- und schönheitsfördernde Wirkung zugesprochen.
Zunehmende Zivilisationskrankheiten verstärken den Trend zur Prophylaxe. Die Ernährungswissenschaft liefert täglich neue wissenschaftliche Erkenntnisse, welche die gesundheitliche Wirkung bestimmter Lebensmittel bestätigen. Functional Food bietet zusätzlich zum Nähr- und Genusswert also auch gesundheitlichen Mehrwert.
These 7: Mit regionalen Spezialitäten wachsen.
Qualitätserzeugnisse mit dem Siegel geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.), geschützte geografische Angabe (g.g.A.) und garantiert traditionelle Spezialität (g.t.S.) bieten ebenfalls Wachstumschancen, finden in Deutschland anders als in anderen Ländern aber noch viel zu wenig Beachtung. Zu den größten Hindernissen zählt neben der bereits bestehenden Produktflut in den Regalen des Handels die Konkurrenz zu Markenkonzepten.
Schutzgemeinschaften können hier einen wirksamen Mitbewerberschutz bieten. Warum eigentlich nicht - ein Schwarzwaldhaus in Hamburg, in welchem alle typischen Produkte der Region angeboten werden?
These 8: Europäisches Wachstum will gut vorbereitet sein.
Auch wenn der Preis auch weiterhin im Focus stehen wird, ist er heute längst nicht mehr alleine ausschlaggebend. „Premium-Preise müssen für den Verbraucher aber nachvollziehbar, die Unterschiede erkennbar sein und kommuniziert werden“, unterstreicht der Marketing Profi nochmals. Kommunikation ist aber ein beidseitiger Dialog, weshalb er Fernsehwerbung nur für bedingt geeignet hält. Hier gilt es, neue Vertriebswege zu erschließen.
Direktmarketing, wie beispielsweise über Internet, ist auch für kleine Unternehmen finanzierbar. Zusätzlich angebotene Dienstleistungen generieren Zusatzumsätze und Erlebnistouren schaffen Kundenbindung.
These 9: Konsumanlässe schaffen steigert Absatz.
Die abschließende Betrachtung der Tendenzen in der Fleischforschung zeigt, dass sich diese zunehmend von der Industrialisierung des Fleischhandwerks hin zur Gestaltung einer Lebensmittelmatrix entwickelt.
Standen vor Jahren noch Themen wie Optimierung von Fleischqualität, Hygiene, Sicherheit oder Kosten im Vordergrund, stehen heute zunehmend die Optimierung der Lebensmittelmatrix und die Entwicklung von Functional Food auf der Agenda. Die Forschung durch staatliche Institutionen wird mehr und mehr durch private Forschungsinstitute abgelöst. Innovation bildet heute einen übergreifenden Entwicklungsprozess ab, welcher mit der Grundlagenforschung beginnt und sich über die angewandte Forschung und die Produktentwicklung bis hin zur Markteinführung erstreckt.
„Ein rückläufiger Markt erfordert auch im Marketing Umdenken“, fasst Jürgen Görlach abschließend nochmals zusammen. „Wir alle werden deutlich Veränderungen sowohl bei den Produkten, als auch bei den Vermarktungsstrategien erleben. Dabei werden Innovationen der Schlüssel zum Erfolg sein. Aber selbst wenn wir es schaffen, dass die Verbraucher für Produkte höherer Qualität zukünftig einen höheren Preis zahlen, ohne Geld und Investitionen wird es dennoch nicht gehen.“
Quelle: Heidelberg [ IVBFF ]