Gesund durch Wurst? Konzeption von Fleischprodukten als funktionelle Lebensmittel
Angela Schilling Schmitz berichtet vom Jahresmeeting 2008 des IVBFF: Ein Vortrag von Prof. Dr. Herbert J. Buckenhüskes, DLG
„Fleisch ist ein Stück Lebenskraft“, so lautet ein über Jahrhunderte hinweg geltendes Sprichwort, welches von dem flämischen Renaissancemaler Pieter Aertsen mit Pinsel und Farbe umgesetzt wurde. „Bei den derzeitigen Diskussionen und das schlechte Image, seines teilweise hohen Fett-, Energie- und Cholesteringehaltes, könnte man fast vergessen“, erinnert der DLG-Experte, „dass Fleisch neben biologisch hochwertigem Eiweiß auch Lieferant für zahlreiche Vitamine und Mineralstoffe ist“.
Als fleischbasierte, bioaktive Substanzen sind heute insbesondere die konjugierte Linolsäure, Carnosin, Anserin, L-Carnitin, Gluthation, Taurin und Creatin im Gespräch.
Negativschlagzeilen über rotes Fleisch als Risikofaktor für die Krebsentstehung und die Allergenfrage konnten aus wissenschaftlicher Sicht bisher jedenfalls nicht bestätigt werden.
Als mögliche Strategien zur Gewinnung funktioneller Fleischprodukte sieht Buckenhüskes drei Vorgehensweisen: Maßnahmen zur Beeinflussung der Rohstoffqualität, die Reduzierung als negativ diskutierter Bestandteile bei der Verarbeitung sowie der Zusatz funktioneller Ingredienzien. Letztere haben bereits Tradition; so beispielsweise als pflanzliche Einlagen in Sülzen, hohe Knoblauchgehalte oder weitere Gewürzzusätze.
Funktionelle Lebensmittel üben neben sattmachenden Eigenschaften auch eine positive Wirkung auf die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden aus.
Großer Beliebtheit erfreuen sich derzeit calciumangereicherte Produkte. Die zugesetzten Substanzen haben wegen ihrer fehlenden Wasserlöslichkeit zwar keinen Einfluss auf den Geschmack, können bei unzureichendem Mahlgrad jedoch ein grisseliges Mundgefühl erzeugen. Bei üblichem Wurstverzehr lassen sich so bis zu 15% des Tagesbedarfes realisieren. Um der Fettfraktion wirksam zu Leibe zu rücken, besteht neben einer Reduktion des Gesamtfettgehaltes zudem die Möglichkeit, das Fettsäuremuster bis hin zur Cholesterinaufnahme aus der Nahrung zu beeinflussen. Und auch der Einsatz von Sojaprotein in Würsten wird zunehmend gebräuchlich.
„Achten Sie aber darauf“, erinnert der Wissenschaftler die Fleischexperten, „dass der Grund für die Zugabe bestimmter Substanzen in dem Produkt in jedem Fall an die Kunden kommuniziert werden muss, um auch die erforderliche Verbraucherakzeptanz zu erreichen.“
Einen ganz neuen Weg beschreibt der Versuch, Lycopin, welches insbesondere in gekochten Tomaten in hoher Konzentration vorkommt, in Wurstwaren einzuarbeiten. Die besondere Herausforderung hierbei bestand darin, wirksame Mengen so in ein Brühwurstbrät einzuarbeiten, dass dieses in Geschmack und Aussehen akzeptabel ist. Als Lösung bietet sich hier eine Einlage an, welche anstatt auf Tomatenbasis prinzipiell auf jeglicher Gemüsegrundlage basieren kann und im Anschnitt keine unerwünschte, untypische Farbe aufweist.
Der Einsatz von Prä- und Probiotika hat sich in Molkereiprodukten in den vergangenen Jahren bereits auf breiter Basis etabliert. Die probiotischen Eigenschaften dieser an die speziellen Lebensbedingungen im menschlichen Darm gewöhnten Mikroorganismen sind aufgrund anderer Lebensbedingungen in „neuen“ Lebensmittelgruppen jedoch nicht direkt übertragbar.
Für den Einsatz in Wurstwaren mit entsprechender Auslobung sind daher im Vorfeld umfangreiche spezifische Test zum Wirkungsnachweis erforderlich.
Besonderer Aufmerksamkeit sollte nach Ansicht Buckenhüskes der Zugabe von Folsäure, einem Coenzym, welchem im menschlichen Körper eine Schlüsselrolle zugeschrieben wird, geschenkt werden. Folsäure wird in anderen Ländern, wie beispielsweise der USA, Canada, England und Ungarn, schon heute in Backmehlen u.a. Produkten zwangsangereichert.
In Rohwürsten wirkt Folsäure als Starter und verkürzt bereits bei Zugabe von 10 mg Folsäure auf 1 Kg Brät die Reifezeit. Mit Folsäure angereicherte Produkte werden bei sensorischen Beurteilungen aufgrund eines gleichmäßigeren Schnittbildes herkömmlichen Produkten vorgezogen.
„Bei der Aufwertung von Produkten sollten Sie immer beachten“, so lautet die abschließende Empfehlung des gelernten Lebensmitteltechnologen, „dass diese hinsichtlich ihrer Haltbarkeit und sensorischen Eigenschaften mit den traditionellen Produkten verglichen werden und daher insbesondere auch die dem Verbraucher bekannten Eigenschaften erfüllen.“
Aus seiner Erfahrung ist es daher oftmals günstiger, völlig neue Produkte zu entwickeln. Entscheidend für den Erfolg funktioneller Lebensmittel ist aber auch in der Fleischbranche, dass eine umfangreiche Kommunikation der besonderen Produkteigenschaften erfolgt. Die für den Produkterfolg erforderliche Vertrauensbildung beim Kunden kann nur durch Offenheit erzielt werden.
Quelle: Heidelberg [ IVBFF ]