Betäubung in handwerklichen Schlachtstätten: Probleme und Lösungsmöglichkeiten
Kurzfassung eines Vortrages der 43. Kulmbacher Woche 2008
Im Zusammenhang mit den anstehenden Zulassungen bisher registrierter handwerklicher Schlachtbetriebe müssen die zuständigen Behörden eine Besichtigung an Ort und Stelle durchführen. Die damit beauftragten Amtstierärzte sind dann immer auch während des kompletten Schlachtprozesses bei Schwein, Rind und ggf. Kalb im Betrieb anwesend. Diese Situation einer kritischen Begutachtung der Schlachtvorgänge verunsichert viele Betriebsinhaber und ihre Mitarbeiter. In der Folge werden bei der Durchführung der Betäubungen Fehler begangen, die im Routineschlachtbetrieb so nicht vorkommen. Hier ist einfühlsames und verständnisvolles Handeln der Überwachung notwendig: Häufig ist die Fehlerquote schon bei einem Wiederholungsbesuch deutlich niedriger, da sich die Mitarbeiter des handwerklichen Schlachtbetriebs etwas auf die ungewohnte Situation einstellen konnten.
Neben solchen stressbedingten Fehlern wurden in jüngster Zeit aber auch erhebliche Mängel im Hinblick auf die Betäubungsgeräte und beim Gebrauch dieser Geräte festgestellt. So ist es immer noch eher die Ausnahme, dass ein Elektrobetäubungsgerät sämtliche technischen Anforderungen der Tierschutz-Schlachtverordnung vom 03. März 1997 erfüllt, obwohl die entsprechenden Übergangsfristen seit mehr als sieben Jahren abgelaufen sind. Die notwendige – und vorgeschriebene – regelmäßige Überprüfung und ggf. Wartung der Geräte wird häufig vernachlässigt. Immer noch werden Betäubungsgeräte angetroffen, deren Betäubungsspannung unzureichend ist.
Auch die baulichen Voraussetzungen der Betäubungsbuchten oder des -standes erfüllen längst nicht in allen Fällen die notwendigen Vorgaben. So sind Betäubungsbuchten für Schweine beispielweise zu groß oder bieten „Versteckmöglichkeiten“ für die Tiere (z. B. unter einer Treppe), so dass ein ungehinderter Betäubungszangenan-satz nur erschwert möglich ist. Die Abtrennung der Bucht zum Schlachtraum sollte geschlossen sein, um die Tiere möglichst wenig abzulenken. Die bisher meist verwendeten Metallgitter beinhalten die Gefahr, dass der Kopf des Tieres nach dem Zusammenbrechen so zwischen die Gitterstäbe rutscht, dass ein korrekter Zangenansatz nicht mehr möglich ist. Betäubungsstände für Rinder müssen zumindest si-cher verhindern, dass das Tier den Kopf zwischen die Beine nehmen kann. Die geforderte Einschränkung der Kopfbewegungen bei Rindern kann im handwerklichen Schlachtbetrieb auch mit dem Führstrick an einem Ring im Boden erfolgen. Dann ist aber in jedem Fall eine Augenblende zu verwenden, um einen sachgerechten Ansatz des Bolzenschussgerätes auf der Stirn der Tiere zu gewährleisten.
Die Anwendung der Betäubungsverfahren war längst nicht in allen Fällen mängelfrei. Am häufigsten waren bei der Elektrobetäubung Fehler beim Zangenansatz. Dabei sind gerade die korrekten Zangenansatzstellen am Kopf der Tiere von ausschlaggebender Bedeutung für den geforderten schlagartigen Wirkungseintritt im Zielorgan, dem Gehirn. Ein ungenügender Zangenanpressdruck konnte dann beobachtet werden, wenn das Betäubungsgerät nicht mit der vorgeschriebenen Anzeige für eine fehlerhafte Betäubung hinsichtlich des Stromstärkeverlaufs ausgestattet war. Gerade die Elektrobetäubung von in der Bucht frei beweglichen Schweinen stellt ganz erhebliche Anforderungen an die Fähigkeiten des Anwenders. Es hat sich in der Praxis bewährt, wenn der Betäuber dabei die Zange von hinten am Kopf der Tiere ansetzt und nicht frontal auf die Schweine zugeht. Auch der Ansatz des Bolzenschussgerätes bei Rindern sollte vorzugsweise von hinten erfolgen.
Die vielfach zu beobachtende elektrische Dauerdurchströmung von Schweinen bis zum Aufzug auf die Entbluterohrbahn mag aus Sicht des Arbeitsschutzes ihre Vorteile haben, kann aber die Fleischqualität nachhaltig negativ beeinflussen und ist unter Tierschutzaspekten sehr kritisch zu sehen, da eine Erfolgskontrolle des Betäubungsvorganges nicht möglich ist. Jede Elektroimmobilisation unmittelbar im Anschluss an eine Betäubung ist grundsätzlich geeignet, eine unzureichende Betäubung zu kaschieren. Schon aus Gründen des Arbeitsschutzes sollte die Elektrobetäubung bei Schweinen immer in der irreversiblen Variante angewendet werden, d. h. mit der elektrischen Auslösung von Herzkammerflimmern. Mit dem frühzeitigen Umsetzen der Betäubungszange vom reinen Kopfansatz auf den diagonalen Kopf-Brust-Ansatz ist gleichzeitig eine Erfolgskontrolle der korrekten Betäubung verbunden: Zeigt das Schwein den typischen klonischen Krampf, erfolgt kein Schreien beim Umsetzen der Zange und keine aversive Reaktion beim erneuten Ansetzen der Zange, so war der erste Schritt des Betäubungsvorganges erfolgreich.
Im Rahmen des Vortrags wurden Empfehlungen für die Durchführung der Elektrobetäubung bei Schweinen vorgestellt, die die Anforderungen des Tierschutzes ebenso wie die der Schlachttierkörper- und Fleischqualität berücksichtigen. Dabei wurden auch die derzeit geltenden Vorgaben der Tierschutz-Schlachtverordnung kritisch diskutiert. Zur Durchführung der Bolzenschussbetäubung bei Rindern wurden ebenfalls Hinweise gegeben. Untrennbar mit der Betäubung verbunden ist die Entblutung – zumindest bei reversiblen Betäubungsverfahren. Daher erfolgten auch dazu einige Erläuterungen.
Die Vorträge der Kulmbacher Woche werden im Mitteilungsblatt der Förderergesellschaft für Fleischforschung in Kulmbach vollständig dokumentiert.
Das Mitteilungsblatt wird von der Förderergesellschaft für Fleischforschung in Kulmbach herausgegeben und kostenlos an die 740 Mitglieder versandt. Die Fördergesellschaft setzt ansehnliche Mittel ein, die für die Forschungsarbeit des MRI, Standort Kulmbach genutzt werden.
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Quelle: Kulmbach [ MOJE, M. ]