Vorbehalte gegen brasilianisches Rindfleisch und Zurückhaltung bei Sonderangeboten
Quelle: Food Quality and Preference 19 (2008), 372-382.
Importfleisch aus Südamerika hat seinen traditionellen Platz beim deutschen Verbraucher. Früher dominierten die Argentinier, heute machen ihnen die Brasilianer spürbare Konkurrenz. Um sich nicht nur auf das eigene Urteil verlassen zu müssen, sind Befragungen nach den Einschätzungen der Verbraucher in anderen Ländern eine willkommene Information. Wenn diese selbst aus Südamerika kommen, wie in der chilenischen Untersuchung von B. SCHNETTLER, D. RUIZ, O. SEPÚLVEDA und N. SEPÚLVEDA (Importance of the country of origin in food consumption in a developing country), gilt dies umso mehr.
In dieser Arbeit wurden Verbraucher aus zwei chilenischen Städten nach der Bedeutung der Herkunft und anderer Kriterien für den Konsum der Lebensmittel befragt. Ziel dabei war, die Motive für den Einkauf von Importware zu eruieren, die Bedeutung der Herkunft für die Kaufentscheidung im Verhältnis zu den beiden anderen wichtigen Kriterien Preis und Verpackung festzustellen und regionale Einflüsse aufzufinden. Im Sinne dieser Ausrichtung wurden in die Fragen ausschließlich die beiden Lebensmittel Rindfleisch und Reis einbezogen. Als Forschungsansatz zur Erfassung der regionalen bzw. ethno-zentrischen Effekte wurde die Befragung in Talca (Mittelchile, Region mit bevorzugter Reisproduktion) und Temuco (Südchile, Region mit bevorzugter Rindfleischproduktion) durchgeführt. Dementsprechend wurde unterstellt, dass sich aus der regionalen Spezialisierung der Landwirtschaft auch Auswirkungen auf das Kaufverhalten ergeben könnten.
Überschlägig an der gesamten Stichprobe betrachtet bevorzugen die befragten Verbraucher zu weit überwiegendem Anteil (80 %) Importlebensmittel vor den nationalen Provenienzen.
Dabei spielt die Hauptrolle, dass sie billiger sind (51 %) und dass ihr Verhältnis von Preis zu Qualität angemessen ist (36 %). Allerdings ergeben sich für die beiden untersuchten Lebensmittel ausgeprägte Unterschiede in den Präferenzen bezüglich des Herkunftslandes: Für Reis nimmt die Herkunft (mit 34 %) keinen dominierenden Platz ein, Preis (33 %) und Verpackungsart (33 %) liegen praktisch gleichauf. Bei Rindfleisch verhalten sich die Verbraucher deutlich differenzierter. Hier wird die Herkunft (48 %) erst mit ersichtlichem Abstand gefolgt vom Preis (30 %) und der Verpackungsart (22 %). Grundsätzlich verbinden die Chilenen heimisches und argentinisches Rindfleisch mit Nutzeffekten, allerdings beim argentinischen Fleisch mit größerer Streuung zwischen den sozialen Schichten.
Das brasilianische Fleisch wird dagegen unabhängig von der Verbraucherschicht abgelehnt. Für Reis lässt sich ein vergleichbares Präferenzschema nicht festmachen. Dies ist zusammengefasst eine Bestätigung der These, dass gerade Herkunftseinschätzungen produktspezifisch zu betrachten sind.
Zieht man Querverbindungen zwischen den Kriterien (auf der Basis der Conjoint-Analyse) ergeben sich weitere aufschlussreiche Erkenntnisse. So wird bei Rindfleisch die lose chilenische Ware mit „normalem“ Preis von 41 % der Verbraucher als erste Wahl bezeichnet, während im Gegenzug 43 % der Verbraucher das vorverpackte brasilianische Fleisch an das Ende ihrer Präferenzskala setzen, obwohl es durch einem Preisabschlag von 50 % ausgezeichnet ist. Tendenziell ähnliche, aber weniger akzentuierte Verhältnisse ergeben sich für Reis: An der Spitze der Präferenzskala wird von 29 % der Befragten der heimische Reis in Beuteln genannt, als Schlusslicht der Skala der 50 % billigere importierte Reis in Schachteln (38 %). Regionale Effekte, wie sie aus der Aufteilung der Verbraucherstichprobe auf die beiden Städte Talca und Temuco sichtbar werden sollten, sind aus der Studie in überraschender Richtung abzuleiten. Im Erzeugergebiet für Rindfleisch (Temuco) legen die Verbraucher vor allem bei Reis auf die Herkunft Wert, im Erzeugergebiet für Reis (Talca) dagegen bei Rindfleisch. Gleichzeitig gibt es keine regional begründete Ablehnung der Importware, etwa aus dem Bestreben heraus, die heimische Produktion durch verstärkte Kaufpräferenz gegenüber dem ausländischen Angebot wirtschaftlich zu fördern.
Genau dieses Bestreben kann aber offensichtlich der ländlichen Bevölkerung in beiden Regionen im Vergleich zur jeweiligen Stadtbevölkerung unterstellt werden. Die stärkere emotionale Nähe zur Landwirtschaft führt zu einer spürbaren Zurückweisung der Importware bei Rindfleisch wie auch bei Reis.
Die am meisten hervorstechenden Ergebnisse der Untersuchung sind zusammengefasst das geringe Zutrauen der chilenischem Verbraucher zu brasilianischem Rindfleisch, das offenbar im Zusammenhang mit dem unzureichenden Preisleistungsverhältnis zu sehen ist, sowie das ausgeprägte Misstrauen gegen über erheblichen Preisabschlägen. Beides sollte als Kennzeichen mündiger Verbraucher gewertet werden.
Aus dem Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach(2008) 47, Nr. 180 – Praxis-Informationen Seite 118 - Wir danken für die Genehmigung.
Das Mitteilungsblatt wird von der Förderergesellschaft für Fleischforschung in Kulmbach herausgegeben und kostenlos an die 740 Mitglieder versand. Die Fördergesellschaft setzt ansehnliche Mittel ein, die für die Forschungsarbeit der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BfEL), Standort Kulmbach genutzt werden.
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Quelle: Kulmbach [ BRANSCHEID ]