Der "7. Sinn" für Ernährung

Wissenschaftler diskutieren in Dresden neue Ansätze der Ernährungsaufklärung

Haben Sie schon einmal beim Fernsehen darüber nachgedacht, was die Schauspieler vor der Kamera so alles essen und trinken? Im Zweifel würde jeder bestreiten, dass er oder sie sich dadurch nur im Entferntesten beeinflussen ließe. Umso erstaunlicher scheint das, was Stephanie Lücke von der Universität Erfurt herausgefunden hat. Im Rahmen der Tagung "Gezielt gesund - Leitmotiv für Lebensmittel der Zukunft?" der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE), Sektion Sachsen am 3. und 4. November in Dresden stellte Lücke die Wirkung von Ernährungsdarstellungen im Fernsehen dar.

Die Inhaltsanalyse von 10 Tagen Fernsehen bei ARD, ZDF, RTL und SAT1 ergab, dass in 12,3 Prozent der Sendezeit das Thema Ernährung eine Rolle spielt. Serien sind dabei der Spitzenreiter, gefolgt von Spielfilmen und erst an dritter Stelle folgt die Werbung.

Sieht man sich genauer an, was da so konsumiert wird, bekommen Ernährungswissenschaftler graue Haare. "Etwa 40 Prozent entfallen auf Süßigkeiten, fette Snacks und Alkohol. Ein bedenkliches Bild, das da vermittelt wird", so Stephanie Lücke.

Die Sozialwissenschaftlerin untersuchte ebenso, wie sich der Fernsehkonsum auf das Ernährungsverhalten des Einzelnen auswirkt und fand tatsächlich offensichtliche Zusammenhänge: "Je mehr ich fernsehe, desto ungünstiger ist mein Ernährungsverhalten. Das kommt eindeutig von der unterschwelligen Vermittlung negativer Beispiele." Lücke schloss, dass man das Fernsehen nicht verteufeln sollte, sondern vielmehr das Instrument Fernsehen nutzen kann. Themen in Ratgeber-Sendungen setzen, beiläufiges Aufklären in Unterhaltungsformaten oder auffällig für eigene Ideen werben (ein "7. Sinn" für Ernährung) seien nur Beispiele für einen Ansatz.

Dass Wissen über Essen und Trinken und deren Bedeutung nicht leicht zu vermitteln ist, bestätigte auch Prof. Volker Pudel, Universität Göttingen. "Essverhalten wird nicht durch Information, sondern durch Training beeinflusst. Hinweise auf ungünstige Wirkung bestimmter Ernährungselemente haben wegen des Belohnungsaufschubs kaum Einfluss", so Pudel.

Und in der Tat wird die Aussage "Trinke Milch, damit Du in 40 Jahren keine Osteoporose bekommst", nicht gerade alle Heranwachsenden zu begeisterten Ernährungsaposteln machen. Pudel hält einen Kommunikationswechsel in der Ernährungsaufklärung für unausweichlich: "wir müssen von einer Verhaltensprävention, also der Betrachtung des Einzelnen, in eine Verhältnisprävention umdenken. Die Essens- und Bewegungsangebote müssen optimiert werden. In Kitas, Schulen, Betrieben, Kliniken, überall, wo Menschen einen großen Teil ihrer Zeit verbringen."

Helma Orosz, Sächsische Sozialministerin brachte es auf den Punkt: "Aktivitäten gibt es genug. Aber die laufen meist parallel. Was wir in Zukunft brauchen sind Netzwerke." Ein großer Vorteil in Sachsen sowie in den meisten anderen Ländern der ehemaligen DDR ist die Kinderbetreuung und die damit verbundene direkte Erreichbarkeit von Kindern und Eltern. In Sachsen sind fast 100 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen in eine Betreuung eingebunden.
Man darf gespannt sein, wie dieses Potenzial genutzt wird.

Quelle: Dresden [ aid - Harald Seitz ]

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