Psychologen der Universität Jena untersuchten die Motivation von Vegetariern
Es ist nicht so sehr ein Streben nach Gesundheit, das Menschen zu Vegetariern macht. Auf den Verzehr von Fleisch verzichten sie vor allem, weil dafür Tiere getötet werden müssen, es das Leid und den Schmerz von Tieren erhöht und deren Rechte verletzt. Diese Hauptmotivationen haben Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena in neuen Studien ermittelt.
In Forschungsprojekten haben Dr. Kristin Mitte und Dr. Nicole Kämpfe untersucht, welche psychologischen Variablen bei der Entscheidung, auf Fleisch zu verzichten, eine Rolle spielen. Denn seit Jahren nimmt die Bedeutung von fleischloser Ernährung in unserer Gesellschaft zu. So ernährten sich 1983 nur etwa 0,6 % der Bevölkerung vegetarisch (Gesellschaft für Konsumforschung), im Jahr 2001 betrug der Anteil bereits 8 % (Forsa). Über die Ursachen war wenig bekannt. Das wollten die Jenaer Psychologinnen ändern und befragten in einer ersten Untersuchung 115 Vegetarier, die im Durchschnitt seit sieben Jahren auf Fleischverzehr verzichteten. Vier von fünf (exakt 81,7 %) der Befragten waren Frauen. "Wie weit die von uns ermittelten Einstellungen auf das Geschlecht der Befragten zurückzuführen ist, wollen wir in Zukunft genauer untersuchen", sagt Dr. Mitte.
Zunächst konnten die Jenaer Psychologinnen drei unterschiedliche Motivationen von Vegetariern ermitteln: Sie essen aus moralischen, aus gesundheitlichen bzw. aus emotionalen Gründen kein Fleisch. Diese Gründe können auch gemeinsam den Fleischverzicht bedingen. "Wichtig ist", betont Studienleiterin Mitte, "dass Vegetarier kein erhöhtes Risiko für Essstörungen zeigen". Vegetarier neigen dazu nicht häufiger als Allesesser, wissenschaftlich Omnivoren genannt.
Doch die Psychologinnen von der Uni Jena wollten speziell den Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und der Motivation zum fleischlosen Leben analysieren. Viele Vegetarier betonen, dass sie Fleisch und Fleischprodukte Ekel erregend finden, wobei sich der Bedeutungshintergrund zwischen den Gruppen unterscheidet.
Emotionale Vegetarier finden den Umgang mit Fleisch wegen des Aussehens oder des Geschmacks Ekel erregend: Sie mögen es nicht. Der Ekel der moralischen Vegetarier leitet sich hingegen von der empfundenen "Unmoral" ab. Diese Gruppe ärgert sich stärker, wenn sie andere Menschen Fleisch essen sieht, und versucht auch, andere vom Fleischverzehr abzuhalten. Moralische Vegetarier schätzen bereits Fleischprodukte, natürlich auch Tierhaltung und -schlachtung als schockierender ein als ihre Mitmenschen. Dies gilt allerdings nur für den Tierbereich. Bei anderen unmoralischen Bereichen - etwa bei Rassismus oder Hygienevergehen - zeigte eine weitere Untersuchung keinen Unterschied zu anderen Gruppen. Bei gesundheitlichen Vegetariern löst Fleisch dagegen keinen Ekel aus.
Hinsichtlich der allgemeinen Persönlichkeitsstruktur zeigten sich allerdings vernachlässigbare Differenzen zwischen den verschiedenen Vegetariergruppen.
Die Analysen der Jenaer Psychologinnen ergaben aber eine Reihe von Unterschieden zwischen Vegetariern und Omnivoren. Vegetarier sind offener für Erfahrungen, d. h. sie probieren häufiger etwas Neues aus. Außerdem finden sie Universalismuswerte wie Verständnis, Toleranz sowie das Wohlergehen aller Menschen und der Natur wichtiger als Allesesser. Wie Dr. Mitte und Dr. Kämpfe weiterhin erwartet haben, empfinden Vegetarier Macht, also sozialen Status und die Autorität über andere Menschen, weniger wichtig.
In vielen anderen Bereichen ergaben sich dagegen keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Allesessern und Vegetariern. Zum Beispiel zeichnen sich Vegetarier nicht durch eine höhere Impulskontrolle aus: Beide Gruppen sind gleich gut in der Lage, ihrem Verlangen zu widerstehen. Vegetarier sind auch nicht extravertierter, gewissenhafter oder zufriedener als Allesesser. Denn, da sind sich die Jenaer Psychologinnen sicher, "unsere Analysen erlauben den Schluss, dass Vegetarier keine anderen Menschen sind als Omnivoren".
Quelle: Jena [ FSU ]