Unzufrieden mit dem Körper und schlecht in der Schule

Heidelberger Studie liefert Ergebnisse zu Lebenssituation und Verhalten von 14 bis 16-Jährigen und ihren Eltern

Jedes zweite Mädchen und jeder fünfte Junge im Alter von 14 bis 16 Jahren fühlt sich zu dick, eine Mehrzahl von ihnen hat Erfahrungen mit Diäten, viele Mädchen sogar mehrfach - und in aller Regel ohne Erfolg. Tatsächlich aber sind nur rund 11 Prozent der Mädchen und 13 Prozent der Jungen in dieser Altersgruppe übergewichtig.

Diese Zahlen stammen aus der Heidelberger Studie "Lebenssituationen und Verhalten von Jugendlichen", einer repräsentativen Befragung von Schülerinnen und Schüler der neunten Klassenstufe allgemeinbildender Schulen in Heidelberg und dem Rhein-Neckar-Kreis. An den Befragungen von September 2004 bis Januar 2005 haben 5.832 Jugendliche und 3.413 Eltern teilgenommen.

Die aktuelle Studie ist die dritte Erhebung an einer Einschulungskohorte aus dem Jahr 1996. Bereits zum Einschulungszeitpunkt und 2000 in der vierten Grundschulklasse hatten die Ergebnisse von Elternbefragungen der Schülerinnen und Schüler Zusammenhänge zwischen körperbezogenen, kognitiven, emotionalen und sozialen Faktoren aufzeigen können (ein Bericht dazu erschien 2001).

Die Untersuchung wurde vom Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis und der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie des Universitätsklinikums Heidelberg initiiert und ist in enger Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Heidelberg entstanden. Sie fand Unterstützung durch das Kinder- und Jugendamt der Stadt Heidelberg sowie finanzielle Zuwendungen der Medizinischen Fakultät, der Stadt Heidelberg, des Gesundheitsamtes sowie Fördermittel der Lautenschläger-Stiftung.

Schulsozialarbeit an Heidelberger Hauptschulen

Mit dem Ziel, ein erweitertes Verständnis von Lebenssituation, Verhaltensweisen und Einstellungen, Sorgen und Stärken junger Menschen in der Region zu gewinnen, verfolgen die beteiligten Institutionen vor allem die Aufgabe einer "aktivierenden" Gesundheitsberichterstattung:

Sie soll dazu beitragen, die Unterstützungsmöglichkeiten für die körperliche und seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu erweitern, konkrete Maßnahmen zu erarbeiten und diese gemeinsam mit Bildungseinrichtungen, Gesundheits- und Sozialdiensten umzusetzen.

Etappenziele auf diesem Weg konnten bereits erreicht werden: Die Einrichtung von Schulsozialarbeit in den Heidelberger Hauptschulen war auch Folge der Studienergebnisse, ebenso das regelmäßige Angebot von Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte zur Vermittlung von so genannten "Life Skills" ("Lebensfertigkeiten") an Schülerinnen und Schüler mit Hilfe des vom Lions Club geförderten Programms "Erwachsen werden".

Nur jeder 4. ist mit den schulischen Leistungen zufrieden

Neben der verbreiteten Unzufriedenheit mit dem körperlichen Erscheinungsbild - in wachsendem Maße begleitet von problematischem Essverhalten - zeigt sich lediglich ein Viertel der jugendlichen Befragten zufrieden mit ihren schulischen Leistungen. Dass jedes fünfte Mädchen und jeder vierte Junge bis zur neunten Klassenstufe mindestens eine Klasse wiederholt hat, entspricht zwar ungefähr dem bundesdeutschen Durchschnitt - angesichts der Tatsache, dass Klassenwiederholungen in der Regel nicht zu besseren Schulleistungen führen, ist dieser Befund allerdings alarmierend.

Ein nicht unerheblicher Teil der Jugendlichen zeigt mehrfache Risiken und Belastungen. So bestehen Zusammenhänge zwischen einem regelmäßigen Suchtmittelkonsum (Tabak, Alkohol, Drogen), selbstschädigendem Verhalten und anderen Problembelastungen. Wer mehrmals in der Woche Alkohol oder Drogen konsumiert und regelmäßig raucht, weist einen geringeren Schulerfolg auf und zeigt deutlich mehr soziale und psychische Auffälligkeiten, bis hin zu Selbstmordversuchen.

Fast jeder Jugendliche verfügt über ein eigenes Handy, Fernseher und Computer

Jedes fünfte Mädchen hat Erfahrungen mit Selbstverletzungen, vor allem mit dem sogenannten "Ritzen", schmerzhaften Schnitten in die eigene Haut. 16 Prozent der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler rauchen nach eigenen Angaben täglich, 15 Prozent der Jungen und 10 Prozent der Mädchen hatte in diesem Alter bereits Umgang mit illegalen Drogen.

Medienbesitz und -konsum sind bei den 15-Jährigen erwartbar weit verbreitet. Die Mehrzahl der Jugendlichen verfügt über Mobiltelefon, eigenes Fernsehgerät und Computer. Dass zahlreiche Sorgen und Probleme sie beschäftigen, geben 6% der Jungen und 16% der Mädchen zu Protokoll. Solche krisenhaften Erfahrungen an der Schwelle zum Erwachsenwerden ergeben sich vor allen Dingen in der Wechselbeziehung zwischen körperlichen und sozialen Anforderungen auf der einen und den von Elektronik, Technologie und Konsumversprechen geprägten, sich rasch wandelnden Umweltbedingungen auf der anderen Seite.

Eltern unterschätzen Probleme

Eltern dieser Altersgruppe unterschätzen Sorgen und Probleme, Sucht- und selbstschädigendes Verhalten ihrer Kinder erheblich oder wissen nur wenig darüber. Die Studienergebnisse weisen aus Sicht der beteiligten Wissenschaftler/innen auf einen dringenden Bedarf an Austausch und, Zusammenarbeit zwischen den beiden wichtigen Sozialisationsinstanzen dieser Entwicklungsphase hin: Familie und Schule. Sie belegen zugleich die Notwendigkeit einer geschlechtsspezifischen Gesundheitsförderung und lassen darüber hinaus Herausforderungen für das Gesundheits- und Gesellschaftssystem erkennen.

Der aktuelle Bericht als PDF-Datei [hier].

Quelle: Heidelberg [ Rhein-Neckar-Kreis ]

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