Nutzen der hyperbaren Sauerstofftherapie bei Brandwunden ist nicht belegt
Trotz jahrzehntelanger Anwendung fehlen noch immer aussagekräftige Studien
Derzeit ist wissenschaftlich nicht belegt, dass Brandwunden besser heilen, seltener schwere Infektionen auftreten oder Patienten weniger Schmerzen erleiden, wenn sie zusätzlich zur konventionellen Behandlung eine hyperbare Sauerstofftherapie (HBO) erhalten. Obwohl die HBO in einigen klinischen Zentren bereits seit mehreren Jahrzehnten bei Brandverletzten eingesetzt wird, sind bislang keine aussagekräftigen Studien verfügbar. Der mögliche Schaden oder Nutzen der HBO lässt sich deshalb gegenwärtig nicht zuverlässig beurteilen. Zu diesem Ergebnis kommt der Abschlussbericht des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), den die Kölner Wissenschaftler am 5. November 2007 veröffentlicht haben.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG beauftragt, den Nutzen einer zusätzlich eingesetzten HBO im Vergleich zur alleinigen konventionellen Behandlung zu bewerten sowie verschiedene Formen der HBO - jeweils als additive Therapie - untereinander zu vergleichen.
Zusätzlicher Sauerstoff soll Absterben des Gewebes verhindern
Bei der HBO atmet der Patient in einer Druckkammer über eine Maske oder über ein Kopfzelt reinen Sauerstoff ein. Durch den erhöhten Druck lässt sich die Sauerstoffmenge im Blut steigern. Bei der Behandlung von Brandopfern wird die HBO schon seit Jahrzehnten eingesetzt, um Kohlenmonoxidvergiftungen entgegen zu wirken. Dabei wurde auch beobachtet, dass die Wunden anscheinend schneller heilen.
Auch nicht randomisierte Studien einbezogen
Obwohl sie ihre Recherche auch auf nicht randomisierte Studien ausgedehnt hatten, fanden die IQWiG-Wissenschaftler nur 6 klinische Vergleiche mit insgesamt 562 Probanden, die sie in die Auswertung einbeziehen konnten. Nur in einer dieser Studien waren die insgesamt
16 Patienten nach dem Zufallsprinzip einer der Gruppen zugeteilt worden. In der mit 875 Teilnehmern größten Studie wurden die Patienten zum einen nur unvollständig charakterisiert. Zum anderen wurden Ergebnisse nur für eine Teilgruppe der Patienten (286) dargestellt, obwohl diese Teilauswertung nicht geplant war. Damit blieben rund zwei Drittel der Studienteilnehmer unberücksichtigt.
Das Gesamtergebnis ist deshalb letztlich nicht mehr interpretierbar. Denn es ist beispielsweise nicht auszuschließen, dass die Therapie gewechselt bzw. abgebrochen wurde, weil unter der HBO unerwünschte Ereignisse auftraten. In keiner Studie wurden die Patienten auch über den Klinikaufenthalt hinaus beobachtet. Aussagen nur zum Therapieziel Wundheilungszeit möglich Wissenschaftliche Belege für den vermuteten Nutzen der HBO fanden die IQWiG-Wissenschaftler in den Studien nicht.
Weder für die Kriterien Sterblichkeit, Blutvergiftung (Sepsis), operative Eingriffe, Aufenthaltsdauer im Krankenhaus, unerwünschte Nebenwirkungen und Komplikationen noch für die Lebensqualität lassen sich belastbare Aussagen machen.
Einzig beim Therapieziel Wundheilungszeit gibt es Hinweise, dass eine zusätzliche HBO Vorteile für die Patienten haben könnte. Allerdings stammen diese Daten aus einer mit insgesamt 16 Patienten sehr kleinen, bereits über 30 Jahre alten Studie. Sie ließ zudem methodische Fragen offen, weshalb ihre Ergebnisse nur eingeschränkt interpretierbar sind. Zudem machte keine der anderen 5 Studien konkrete Angaben zur Wundheilungszeit.
Zum Ablauf der Berichtserstellung
Den Vorbericht hatte das IQWiG am 31. Mai 2007 im Internet publiziert. Bis zum 28. Juni konnten dazu Stellungnahmen eingereicht werden. Das IQWiG erhielt drei solcher Kommentare, die aber der allgemeinen Schlussfolgerung des Vorberichts nicht widersprachen. Zusätzliche, bis dahin nicht vom IQWiG identifizierte, aber relevante Publikationen wurden darin ebenfalls nicht benannt. Da die Stellungnahmen keine Fragen aufwarfen, die diskutiert werden mussten, verzichtete das IQWiG auf eine mündliche wissenschaftliche Erörterung. Die Stellungnahmen wurden aber berücksichtigt: Ihre inhaltlichen Einwände werden im Abschlussbericht diskutiert (siehe S. 48-50) und in einem gesonderten Dokument vollständig wiedergegeben. Am 6. September 2007 wurde der Abschlussbericht an den Auftraggeber, den Gemeinsamen Bundesausschuss, versandt.
Quelle: Köln [ IQWiG ]