3 Jahre BSE in Deutschland
Umfangreiche Maßnahmen zur Risikominimierung, dennoch kein Grund zur Entwarnung
Derzeit sind in Deutschland 287 BSE-Fälle amtlich bestätigt (2000 = 7, 2001 = 125, 2002 = 106, 2003 = 49; Stand: 20.11.). Seit Bestätigung des ersten BSE-Falls eines in Deutschland geborenen Rindes am 26. November 2000 wurden in Deutschland rund 7,5 Millionen BSE-Schnelltests durchgeführt. Die meisten der bisherigen BSE-Fälle wurden durch ein spezielles Überwachungsprogramm bei solchen Tieren gefunden, die verendet waren, not- oder krankgeschlachtet wurden oder klinische Erscheinungen aufwiesen. 92 der bisherigen 287 BSE-Fälle wurden bei klinisch gesunden Schlachtrindern mit Hilfe der Schnelltests entdeckt.Zur Minimierung des Risikos wurden in allen Bereichen von Haltung, Schlachtung und Verarbeitung von Wiederkäuern umfangreiche Schutzmaßnahmen getroffen. Diese Schutz- und Überwachungsmaßnahmen ergänzen und überlappen sich in ihrer Zielrichtung und gewährleisten nach dem derzeitigen Stand des Wissens den größtmöglichen gesundheitlichen Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher.
Im einzelnen stützen sich Maßnahmen auf folgende Regelungen:
1. BSE-Tests
Die bislang erarbeiteten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung lassen trotz des beträchtlichen Zugewinns an Informationen derzeit noch keine vollständige Aussage zur abschließenden Beurteilung der BSE zu. Deshalb hält das BMVEL entgegen der Forderung des Bundesrates an der über das Gemeinschaftsrecht hinausgehenden Bestimmung fest, dass in Deutschland alle über 24 Monate alten Rinder, die geschlachtet werden, mit BSE-Schnelltests untersucht werden müssen. EU-weit liegt die Altersgrenze für zu testende Schlachttiere bei 30 Monaten. Alle über 24 Monate alten Rinder, die verendet sind, not- oder krankgeschlachtet werden, müssen EU-weit mit BSE-Schnelltests untersucht werden. Neue Testverfahren, die zu einer verbesserten Ergebnisgenauigkeit führen, befinden sich derzeit noch in der wissenschaftlichen Entwicklung. Dies ist eines der Ziele des TSE-Forschungskonzepts der Bundesregierung. Für den deutlichen Ausbau der Forschung an übertragbaren schwammartigen Hirnerkrankungen (transmissible spongiforme Enzephalopatien, TSE), zu denen BSE gehört, stellt die Bundesregierung jährlich mehrere Millionen Euro zur Verfügung.
2. Entfernung von Risikomaterial:
Seit dem 1. Oktober 2000 müssen gemeinschaftsweit spezifizierte Risikomaterialien von Wiederkäuern entfernt und durch Verbrennen vernichtet werden. Die Liste der Risikomaterialien wurde mehrfach den wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend im Sinne des vorbeugenden Gesundheitsschutzes angepasst und beinhaltet den Schädel ohne Unterkiefer, einschließlich Gehirn und Augen, die Mandeln, die Wirbelsäule, das Rückenmark und den gesamten Darm von Rindern. Sie unterliegt auch zukünftig einer ständigen wissenschaftlichen Überprüfung.
3. Tiermehlverfütterungsverbot:
Durch das Verfütterungsverbotsgesetz ist in Deutschland seit dem 2. Dezember 2000 die Verfütterung von proteinhaltigen Erzeugnissen und von Fetten warmblütiger Landtiere sowie von Fischen an Lebensmittel liefernde Nutztiere verboten. Seit dem 12. April 2001 ist das Verfüttern von Fischmehl an Nichtwiederkäuer (z.B. Geflügel, Schweine) mit strikten Sicherheitsauflagen (Herstellung, Transport, besondere Genehmigung für die landwirtschaftlichen Betriebe) wieder erlaubt. Mit diesen Regelungen soll sichergestellt werden, dass die in der Vergangenheit offensichtlich - trotz des bereits seit 1994 bestehenden Verfütterungsverbots für Proteine von Säugetieren an Wiederkäuer - vorgekommenen Verschleppungen dieser Proteine in Rinderfutter verhindert werden.
Im Unterschied zur Regelung in Deutschland lässt das EG-Recht die Verfütterung tierischer Fette an Lebensmittel liefernde Nutztiere zu. Verboten ist ausschließlich die Verfütterung verarbeiteter tierischer Proteine, sowie der damit hergestellten Futtermittel, Futtermittelzusätze und Vormischungen. Das zunächst bis zum 30. Juni 2001 geltende Verbot wurde inzwischen durch eine Änderung der EG-TSE-Verordnung durch inhaltlich ähnliche Verbote und Beschränkungen als Dauerregelung übernommen.
Seit dem 1. September 2003 ist es wieder zulässig, hydrolisiertes Protein sowie aus tierischen Knochen gewonnenes Di- oder Tricalciumphosphat - soweit diese Materialien von Nichtwiederkäuern stammen an Nichtwiederkäuer zu verfüttern. Weiterhin dürfen zukünftig auch wieder Blutmehl oder andere Blutprodukte von Nichtwiederkäuern an Fische verfüttert werden.
Die deutsche Sonderregelung, nach der bestimmte tierische Fette nicht an Nutztiere zur Lebensmittelgewinnung verfüttert werden dürfen, bleibt aber bis auf Weiteres erhalten. Die Europäische Kommission beabsichtigt hierzu, einen Vorschlag für eine gemeinschaftliche Regelung vorzulegen.
Weitere Maßmahmen:
1. Ursachenforschung:
Im Rahmen des TSE-Forschungskonzepts wird intensiv nach den Ursachen, den Übertragungswegen und Bekämpfungsmöglichkeiten geforscht. Die von der Bundesregierung eingerichtete TSE-Forschungsplattform ermöglicht einen intensiven Informationstransfer. An der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV) wurde das Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger errichtet, das im Dezember 2001 seine Arbeit aufnahm. Damit wurde das bisherige Referenzlabor für BSE- und Scrapie-Diagnostik zu einem nationalen TSE-Forschungszentrum ausgebaut. Nach umfangreichen Umbauten zur Errichtung eines Sicherheitsstalles werden auf der Insel Riems erstmals in Deutschland BSE-Infektionsversuche an Rindern durchgeführt. Von ihnen verspricht man sich neue Erkenntnisse über die Entstehung und Ausbreitung der Krankheit im Körper. Darüber hinaus dient der Versuch der Gewinnung von Proben aus der Inkubationsphase der Krankheit, die für die Entwicklung von Testmethoden, auch Lebendtests, von essentieller Bedeutung und anderweitig nicht verfügbar sind.
Das Institut für Epidemiologie der BFAV in Wusterhausen wertet umfangreiche Daten zu jedem BSE-Fall in Deutschland aus. Dabei standen zunächst statistische Untersuchungen zur Fallzahlentwicklung, zur geographischen Verbreitung und zur Verteilung der BSE-Fälle auf die Geburtsjahrgänge im Vordergrund. Darüber hinaus konnten erste Aussagen über die Dynamik des BSE-Eintrages in die Bundesrepublik, sowie über den Einfluss von Rasse und Nutzungsrichtung der Rinder auf die BSE - Inzidenz getroffen werden. Im Rahmen eines Forschungsvorhabens werden in Schafherden, in denen Scrapie festgestellt worden ist, auch die Prionprotein-Genotypen der nicht betroffenen Schafe erhoben, um mögliche rassespezifische Resistenzwirkungen zu untersuchen.
2. Maßnahmen nach Feststellung von BSE im Bestand:
Eine weitere Maßnahme zur Eindämmung der Krankheit war die Tötung aller Rinder des Bestandes. Nach der Durchführung von mehr als 2 Millionen Tests gab es keine Hinweise darauf, dass der ganze Bestand des erkrankten Rindes von BSE betroffen sein könnte. Hatte die Bundesregierung zunächst - im Einvernehmen mit den Ländern - aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes die Tötung des Gesamtbestandes empfohlen, so hält sie dies aufgrund der inzwischen vorliegenden Erkenntnisse nicht mehr für erforderlich. Die BSE-Vorsorgeverordnung ermächtigt deshalb die zuständigen Behörden in den Ländern, Ausnahmen von der Bestandstötung zuzulassen. Die zuständige Behörde kann die Kohortentötung veranlassen, soweit Belange der Vorsorge für die menschliche oder tierische Gesundheit dem nicht entgegenstehen. Dann werden nur noch die Rinder getötet, die in dem Jahr vor und nach der Geburt des kranken Rindes in dem Bestand geboren wurden, in dem auch das kranke Tier geboren wurde (Geburtskohorte) oder die im ersten Lebensjahr zu irgendeinem Zeitpunkt gemeinsam mit einem kranken Rind aufgezogen wurden und möglicherweise das gleiche Futter zu sich genommen haben, das auch das kranke Tier in seinem ersten Lebensjahr bekommen hat (Fütterungskohorte), sowie die Nachkommen - inklusive Eizellen und Embryonen - der erkrankten weiblichen Rinder.
Seit 30. Oktober 2003 bestehen EU-weit bestimmte Ausnahmen für eventuell betroffene Bullen auf Besamungsstationen.
3. Verstärkte Überwachung und Forschung bei Scrapie
Seit dem 1. Januar 2002 wird gemeinschaftsweit auch bei kleinen Wiederkäuern ein aktives Überwachungsprogramm auf TSE durchgeführt, das im Februar 2002 erweitert wurde und aktuell geändert wird. Danach muss zukünftig in Deutschland eine Stichprobe von 10.000 über 18 Monate alten zum menschlichen Verzehr geschlachteten Schafen und von zusätzlichen 10.000 über 18 Monate alten verendeten oder getöteten Schafen und 500 Ziegen untersucht werden. In Deutschland müssen darüber hinaus alle im Falle der amtlichen Feststellung der Scrapie bei einem Schaf oder einer Ziege oder zum Zwecke der Bekämpfung anderer Tierseuchen, mit Ausnahme von epidemisch verlaufenden Tierseuchen, getöteten Schafe und Ziegen, die mindestens 18 Monate alt waren, untersucht werden.
2002 wurden insgesamt 34.752 Schafe und 1.657 Ziegen (jeweils überwiegend über 18 Monate alt) auf TSE getestet. Insgesamt wurden 2002 16 Fälle von Scrapie festgestellt.
Von Januar bis Oktober 2003 wurden knapp 60.000 Schafe und fast 4.000 Ziegen (jeweils überwiegend über 18 Monate alt) auf TSE getestet; bis einschließlich Oktober 2003 wurden dabei 16 positive Schafe ermittelt.
Im Hinblick auf die Rolle der genetischen Scrapieresistenz bei der Entwicklung klinischer Scrapieformen und die Möglichkeit, Zuchtprogramme zur Verhütung, Kontrolle und Tilgung von Scrapie zu nutzen, ist es erforderlich, den Genotyp sämtlicher Scrapiefälle zu bestimmen. Seit Juli 2001 muss bei jedem positiven TSE-Fall bei Schafen der Genotyp des Prionproteins bestimmt werden. Wird ein TSE-Fall bei einem resistenten Genotypen festgestellt, ist eine Stammtypisierung vorzusehen.
In Vorbereitung des nationalen Zuchtprogrammes auf Resistenz gegen Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (TSE) bei Schafen (das ab dem 1. Januar 2004 eingeleitet werden muss) wurde im Jahr 2003 bei allen einheimischen Schafrassen untersucht, wie häufig die erwünschten genetischen Resistenz-Anlagen verbreitet sind. Im Ergebnis hat sich gezeigt, dass bei nahezu allen Rassen eine Grundlage für ein Zuchtprogramm auf TSE-Resistenz vorhanden ist. Bei Zuchtprogrammen für Rassen mit niedrigem Vorkommen der Resistenzanlagen muss jedoch vorgesorgt werden, dass die genetische Variabilität der gesamten Erbanlagen der Rasse nicht gefährdet wird.
Quelle: Berlin [ bmvel ]