Wettbewerb am Geflügelmarkt wird härter

Zwischen Globalisierung und nationalem Anspruch

Geflügelfleisch liegt im Trend, und weiterer Verbrauchszuwachs ist wahrscheinlich. Dennoch geraten die Geflügelfleischpreise immer wieder unter Druck. Dieser wird nicht zuletzt ausgelöst durch oftmals niedrigpreisig offerierte Importware. Die Globalisierungstendenzen werden diesen Effekt in Zukunft wohl noch verstärken. Dem steht der nationale Anspruch an die hiesige Geflügelhaltung gegenüber.

Der Geflügelfleischverbrauch in Deutschland wächst weiter. Nach aktuellen ZMP-Schätzungen steigt der Pro-Kopf-Verbrauch in diesem Jahr auf 18,5 Kilogramm und erreicht damit ein neues Rekordniveau. Damit liegt der Konsum der Bundesbürger aber nach wie vor unter dem EU-Durchschnitt: Für das Gebiet der EU-15 wird für 2004 ein Verbrauch von 23,3 Kilogramm pro Kopf veranschlagt.

Die deutsche Geflügelfleischproduktion expandierte in den zurückliegenden Jahren kontinuierlich. Dennoch bleibt Deutschland auf Importe zur Deckung des Inlandskonsums angewiesen. Der Selbstversorgungsgrad erreicht 2004 voraussichtlich 73 Prozent; aufgrund der nicht unerheblichen Exporte liegt der Marktanteil der hiesigen Produktion sogar unter 50 Prozent.

Nicht alle Geflügelarten entwickelten sich in den vergangenen Jahren gleichmäßig. Besonders dynamisch war der Zuwachs im Putensektor. Der Anteil des Putenfleisches am gesamten Geflügelfleischverbrauch stieg von 1994 bis 2004 von 28 Prozent auf 36 Prozent. Das entspricht einer Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs um 82 Prozent auf inzwischen 6,6 Kilogramm.

Das Angebot am hiesigen Putenmarkt ist allerdings oftmals noch schneller gewachsen als die Nachfrage. Die Schlachtereiabgabepreise für Putenfleisch unterlagen daher starken Schwankungen, wobei der Trend klar nach unten zeigt. Preise von über 5,40 Euro je Kilogramm Schlachtgewicht, wie sie Ende der 80er Jahre beispielsweise für Putenbrust zu erreichen waren, werden wohl längerfristig nicht mehr zu erzielen sein.

Der Preisdruck wurde teils auch durch Importe ausgelöst. Insbesondere Drittlandsware kann deutlich unter dem hiesigen Kostenniveau produziert und trotz Transportkosten und Zollbelastungen billig angeboten werden.

Wieder mehr Geflügel aus Niederlanden eingeführt

Im Jahr 2003 importierte Deutschland insgesamt rund 484.000 Tonnen Geflügelfleisch (ohne Zubereitungen) aus Drittländern. Davon kamen allein 19 Prozent aus Brasilien und 13 Prozent aus Thailand. Einen höheren Anteil hatten nur die Niederlande mit 22 Prozent der Gesamteinfuhren. Wegen der Geflügelpest in Holland war das weniger als sonst. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres erhöhte sich der niederländische Anteil wieder auf 36 Prozent. Gleichzeitig sanken die Zufuhren aus Brasilien und Thailand, weil die Möglichkeit zollgünstiger Importe von leicht gesalzenem Fleisch nach Deutschland nur noch bis August 2003 bestand. Auch das von der EU vor dem Hintergrund der in Südostasien grassierenden Geflügelpest verhängte Importembargo gegenüber nicht thermisch behandeltem Geflügelfleisch machte sich bemerkbar.

Mehr Zubereitungen aus Drittländern importiert

Seit leicht gesalzenes Fleisch nicht mehr zollbegünstigt eingeführt werden kann, verlegte sich insbesondere Brasilien auf den Export von Geflügelfleischzubereitungen. Deutschland führte 2003 insgesamt 92.000 Tonnen Zubereitungen ein, von Januar bis August 2004 waren es bereits 79.500 Tonnen. In den ersten acht Monaten dieses Jahres kamen 44 Prozent aller importierten Zubereitungen aus Brasilien; 2003 waren es dagegen erst 33 Prozent.

Ausdünnung des Importschutzes

Die angestrebte Liberalisierung des Weltmarktes wird künftig zu einer weiteren Ausdünnung des Importschutzes führen und die Einfuhren weiter verbilligen.

Speziell die WTO-Verhandlungen im Rahmen der Doha-Runde werden mittelfristig zu einem weiteren Abbau des Importschutzes durch Zölle führen. Brasilien verlangt zudem, dass die EU die Einfuhren von gesalzenem Geflügelfleisch wieder erleichtert; ein Streitschlichtungsverfahren wurde beantragt.

Des Weiteren bleibt abzuwarten, was die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den südamerikanischen Mercosur-Staaten und der EU ergeben. Die Verhandlungen wurden zwar zwischenzeitlich ausgesetzt, ein erster EU-Vorschlag macht aber deutlich, über welche Mengen verhandelt wird: Die EU will zollbegünstigte Importe von 75.000 Tonnen Geflügelfleisch in zwei Tranchen zuzulassen.

Dem stärker werdenden Importdruck steht dabei der nationale Anspruch an die hiesige Geflügelhaltung gegenüber. Aspekte wie Tier- und Umweltschutz haben in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Der Anspruch fließt auch in die gesetzlichen Rahmenbedingungen ein, wirtschaftliche Aspekte traten zuletzt eher in den Hintergrund.

Starke Bedeutung der Discounter

Hierzulande zu hohen Standards erzeugte Ware muss am Markt aber mit billigerer Drittlandsware konkurrieren, denn an der Ladentheke sind  Produktionsstandards für viele Verbraucher  nicht mehr so kaufentscheidend. Umfragen zufolge sind in Deutschland zwar viele Bürger bereit, für hochwertige Nahrungsmittel mehr zu zahlen, in der Realität verhält man sich aber sehr preisbewusst. So sind die Discounter am Geflügelmarkt mit 38 Prozent aller Käufe die wichtigste Einkaufsstätte.

In den ersten drei Quartalen dieses Jahres wurden 31 Prozent des frischen Hähnchenfleischs bei Discountern gekauft, obwohl der Branchenführer Aldi hier keine Rolle spielt. Im Tiefkühlsektor ist die Dominanz der Discounter noch ausgeprägter. Hier sank der Anteil jedoch von 58 Prozent im Jahr 2003 auf 55 Prozent von Januar bis September 2004. Vergleichbar ist die Situation am Markt für frisches Putenfleisch. Hier verzeichneten die Discounter einen leichten Rückgang ihres Marktanteils von 30 Prozent auf 29 Prozent.

Diese Einbußen scheinen einzelne Anbieter veranlasst zu haben, eine neue Preisoffensive zu starten. Die jüngste deutliche Preissenkung für Geflügelfleisch bei Discountern schlägt sich auch in den Verbraucherpreisen nieder. Der Druck auf die Großhandelspreise deutscher Anbieter geht also nicht nur von ausländischen Mitbewerbern aus, sondern auch von der abnehmenden Seite. Die Discounter sind nämlich bemüht, die Reduzierungen der Verbraucherpreise auf ihre Einstandspreise zu übertragen.

Ausblick

Der Geflügelfleischverbrauch in Deutschland dürfte auch in den kommenden Jahren weiter steigen. Aber niedrigpreisige Importware wird immer wieder zu Marktstörungen führen. Auch durch die „Discounterisierung“ am deutschen Markt ist Preisdruck zu erwarten. Für die hiesigen Anbieter bleibt nur zu hoffen, dass eine Positionierung heimischer Ware durch unverwechselbare und qualitativ hochwertige Produkte mit erkennbarer Herkunft gelingt.

Quelle: Bonn [ zmp ]

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