Auf den Punkt gebracht - Neues aus der Lebensmittelforschung
1. Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräch der BFEL und der Universität Bayreuth
Am 21. März fand in der Stadthalle Kulmbach unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeisterin Inge Aures und Landrat Klaus Söllner das 1. Bayreuth-Kulmbacher Fachgespräch statt. Die Tagung soll der Beginn einer lockeren Folge gemeinsamer Veranstaltungen der Universität Bayreuth und der Bundesforschunganstalt für Ernährung und Lebensmittel, Standort Kulmbach sein. Dieses Mal war das Gespräch vermischten Themen aus der Lebensmittelforschung gewidmet. Mit mehr als 200 Teilnehmern erfüllte der Besuch alle Erwartungen.Der Präsident der Universität Bayreuth Prof. Dr. Helmut Ruppert und der kommissarische Leiter der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel setzten schon in Ihren einleitenden Worten positive Zeichen: Sie waren sich einig, dass es beim ersten Fachgespräch nicht bleiben soll und dass beide Institutionen ihre Arbeit an gemeinsamen Projekten intensivieren werden.
Gleichsam als Gastredner leitete Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, die Tagung mit einem Referat zur Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln ein. Als Instrument des Verbraucherschutzes ist Rückverfolgbarkeit ein Kind der BSE-Krise und daher die Herkunftskennzeichnung vor allem für Rindfleisch ein gesetzliches Muss. Lebensmittelsicherheit ergibt sich allein daraus jedoch noch nicht. "Mindestens ebenso wichtig ist, die komplexe Kette der Lebensmittelherstellung organisatorisch im Griff zu haben", mahnte Nüssel an. Vom juristischen Spezialfall der Produktkennzeichnung weg führte Gerhard Dannecker, Univ. Bayreuth, mitten hinein in den Dschungel des Europäischen Lebensmittelrechtes. "In diesem Dschungel herrscht", so der Juraprofessor, "das Gesetz des Stärkeren: Gemeinschaftsrecht schlägt nationales Recht." Dennoch ist gerade für Lebensmittel unerlässlich, auch über angepasste nationale Regelungen zu verfügen. Leicht vorstellbar also, dass das Dickicht im Rechtsgefüge der EU auch zukünftig noch dichter wird.
Schadstoffe in Lebensmitteln werden seit vielen Jahren und immer mit Emotionen diskutiert. Karl Otto Honikel, BFEL Kulmbach, zeigte am Beispiel Fleisch die Vielfalt dieser bösen Begleiter. Organochlorverbindungen, Dioxine, Schwermetalle und zuletzt Radiocäsium, die Ursache der Tschernobyl-Radioaktivität also, sind die prominentesten von ihnen. Das Gesamtbild ist aber eher beruhigend: das Fleisch unserer landwirtschaftlichen Nutztiere zeigt bei allen Rückständen nur geringe Belastung. Es sind das Fett und die inneren Organe von älteren Tiere, in denen verstärkt Kontaminanten zu finden sind. - Trotzdem lauert das Böse überall. Ortwin Meyer von der Univ. Bayreuth befasste sich mit Mikroorganismen, die sich offensichtlich an das Kühlmilieu des Kühlschrankes und der Ladentheke angepasst haben. Bakterielle Enzyme, die eben gerade in der Kälte besonders aktiv sind, machen es möglich. "Wenn solche Sonderlinge dann auch noch Toxine produzieren", schilderte der Mikrobiologe die Situation, "dann kann es Probleme geben." Sauberkeit ist ein Mittel, gegen diese Angriffe aus dem Unsichtbaren vorzugehen.
Aber Kühlung bleibt natürlich eines der wichtigsten Instrumente der Lebensmittelsicherheit. Kontrolle ist dabei das höchste Gut und war für Dietrich Haarer von der Universität Bayreuth Kernthema des vorgestellten Berichtes. Höhere Temperaturen stellen für Lebensmittel wie Fleisch und Milch eine große Belastung dar, die Messung der "Wärmedosis", die ein Lebensmittel mitbekommen hat, ist also eine höchst bedeutsame Information. "Das haben wir auf den Punkt gebracht", so Haarer in seinem Vortrag. Auf einen "Blauen Punkt" nämlich, der als optischer Sensor auf die Verpackung aufgebracht wird und seine Farbe je nach Einhaltung der Kühlkette verändert. Dieser Nachweis der Frische des Produktes ist praktisch Fälschungsfrei. Sensoren ganz anderer Art liefert die Elektronik, über deren Nutzung in der Fleischwirtschaft Wolfgang Branscheid, BFEL Kulmbach berichtete. Schon heute werden mit Video- und Ultraschallsignalen ebenso wie mit elektrischen Potentialen oder röntgenologischen Methoden differenziert Merkmale von Frischfleisch erfasst. Der Fettgehalt, die Farbe, aber sogar die Fleischzartheit sind Größen, die sich im Online-Betrieb bestimmen lassen. Oberstes Ziel dieser Forschungen ist die frühzeitige Vorhersage der Qualität, die beim Verbraucher ankommt.
Klaus Troeger, ebenfalls von der BFEL Kulmbach berichtete über Möglichkeiten, wie Fleischerzeugnisse noch gesünder gemacht werden könnten, als sie ohnedies sind. "Funktionelle Lebensmittel" ist das Zauberwort, das dahinter steht. "Die Natur selbst hält ein ganzes Arsenal an pflanzlichen Wirkstoffen vor, die wir funktionell nutzen können", meinte der Veterinärmediziner. Die hehren Ziele dabei sind die Absenkung von Cholesterin, Krebs verhindernde und die Immunität fördernde Effekte wie auch antibiotische und gegen Thrombose gerichtete Wirkungen. Und eine besonders reizvolle Möglichkeit liegt in der Reduktion der Fettaufnahme. Die pflanzlichen Wohltäter sind allgegenwärtig, nicht nur der ohnedies als gesund bekannte Knoblauch, auch Grünkohl, Brokkoli, Äpfel und sogar der Kaffee enthalten Substanzen, mit denen wir vielleicht schon bald als kleine Helfer in der "funktionellen" Wurst rechnen können, natürlich ohne dass der Geschmack leidet.
Allergien sind ein Thema, Nahrungsmittelallergien, provoziert von sehr stabilen Proteinen, zunehmend auch. Darunter sind die Kreuzallergien besonders problematisch, weil sie in der Kopplung der Allergie-Gefahr über mehrere Lebensmittel übergreifend wirken. Genau diese Gruppe war für Paul Rösch von der Universität Bayreuth besonders interessant. Am Beispiel des Birkenpollen-Nuss-Obst-Syndroms lässt sich nämlich zeigen, dass die für die Allergie verantwortlichen Allergene dieser Gruppe in der Aminosäurezusammensetzung des Moleküls jeweils völlig unähnlich sind, dass sie aber trotzdem in der räumlichen Struktur wie ein Ei dem anderen gleichen. Damit haben sie genau die Eigenschaft gemeinsam, die man für ein spezifisches Schlüssel-Schloss-Verhältnis der Allergene zu den Antikörpern, ihren Wirkungspartnern in den Körperzellen, auch unterstellen müsste. "Auf der Basis des jetzt erkannten Strukturprinzips der Kreuzallergien können wir als Fernziel die maßgeschneiderte, wirksame Impfung gegen Allergien ansteuern", prognostizierte der Biochemiker.
Die EU ist tolerant, was Zutaten in Lebensmitteln betrifft. Alles ist möglich, wenn es nur auf der Zutatenliste aufgeführt ist. Das setzt Kontrolle und Kontrollmethoden voraus. Fredi Schwägele, BFEL Kulmbach zeigte, dass der Nachweis spezifischer "Schnipsel" der Erbsubstanz geeignet ist, Tier- und Pflanzenarten sicher zu erkennen. "Das sind eben jene Methoden, die auch jeder neuzeitliche Fernsehkommissar einsetzt", verdeutlichte er. Einige Probleme bleiben jedoch: Man kann zwar nachweisen, dass doch sein kann, was nach dem Willen des Gesetzgebers nicht sein darf, selbst wenn die Beimischung nur in geringer Menge erfolgt. Aber nur mit großen Fehlern behaftet lässt sich bestimmen, wie viel von der betreffenden Substanz denn eigentlich beigemengt wurde. Für die Kontrolle gesetzlich festgelegter Grenzwerte verbotener Beimengungen ist aber genau diese mengenmäßige Bestimmung unabdingbar.
Dr. Heinz Walter Ludwigs von der Universität Bayreuth, der zusammen mit Dr. Wolfgang Branscheid, BFEL Kulmbach die Tagung organisiert hatte, schloss mit einem offensichtlich zufriedenen Schlusswort ab. Mit dem bunten Themenspektrum sei belegt worden, dass sich unterschiedliche Fachdisziplinen geradezu schwerelos zu einer gemeinsamen Aufgabe zusammenführen lassen. Sein Wunsch sei nun ein permanentes Fachgespräch mit den Referenten, zu dem das Auditorium eingeladen sei. "Nehmen Sie teil an unserem Projekt offene Labortür", forderte er auf, "und das meine ich wirklich ernst." - Jetzt muss man die Veranstalter nur noch beim Wort nehmen.
Kurzfassungen der angesprochenen Fachvorträge finden Sie im Bereich Fachwissen von meat-n-more.info.
Quelle: Kulmbach [ bfel ]