Ernährungsindustrie zieht positive Bilanz der Osterweiterung

Insgesamt kann die Branche ein Jahr nach der umfangreichsten Erweiterungsrunde der EU eine positive Bilanz ziehen. Je nach Größe, Teilsektor und Region haben die Unternehmen der deutschen Ernährungsindustrie unterschiedliche Vorteile durch die Erweiterung.

Die meisten Beitrittsländer sind mit Ausnahme Ungarns und Polens Nettoimporteure von Lebensmitteln, insofern haben die exportorientierten Unternehmen der deutschen Ernährungsindustrie die Erweiterung als Chance gesehen. Bereits im Vorfeld der Osterweiterung waren die Unternehmen aktiv geworden und bearbeiteten diese neuen Märkte erfolgreich. In den Jahren 1997 bis 2003 stiegen die deutschen Exporte in die osteuropäischen Beitrittländer bereits um ein Drittel. Im vergangenen Jahr konnte Deutschland als führender Wirtschaftspartner der Beitrittsländer seine Lebensmittelexporte in die neuen Mitgliedsländer um überdurchschnittliche +10,8 % weiter ausbauen. Insgesamt wurden 2004 deutsche Lebensmittel im Wert von 1,6 Mrd. Euro in die neuen EU-Länder exportiert. Die wichtigsten Abnehmerländer waren Polen (548 Mio. Euro), die Tschechische Republik (500 Mio. Euro) und Ungarn (250,1 Mio. Euro).

Absatzchancen eröffnen sich für deutsche Exporteure auf den neuen Märkten vor allem dort, wo die einheimischen Produzenten noch mit dem Strukturwandel oder der Anpassung an EU-Standards zu kämpfen haben und eine hohe Nachfrage nach qualitativ hochwertigen Produkten entsteht. Besonders Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren, Milchprodukten, aber auch von Brot und Backwaren profitieren von den neuen Märkten.

Bislang verfügt die Bevölkerung der zehn neuen Länder noch über eine im europäischen Gesamtvergleich unterdurchschnittliche Kaufkraft. Entsprechend hoch ist der Anteil der osteuropäischen Haushalte für Lebensmittel. Während die Haushalte der EU-15 im Durchschnitt 12,8% ihres verfügbaren Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, müssen die Haushalte in den neuen osteuropäischen Mitgliedsländern rund ein Fünftel ihres Einkommens dafür verwenden. Zwar ist davon auszugehen, dass sich die Bedeutung von Nahrungsmittelausgaben relativieren wird. Allerdings werden zugleich die Preise, u. a. für Milchprodukte und Rindfleisch steigen, was durch die EU-Mechanismen zur Stützung der Agrarmärkte bedingt ist. Auch die von der EU geforderten Qualitäts- und Hygienestandards tragen zu höheren Preisen für Agrarprodukte bei.

Mittel- und langfristig werden die Absatzpotentiale von Lebensmitteln in den osteuropäischen Nachbarländern sehr positiv beurteilt. Bei einem Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 5%, im Baltikum sogar über 7%, ist ein Anstieg des verfügbaren Einkommens absehbar. Experten gehen davon aus, dass mit steigender Kaufkraft der Konsumenten ein hohes Potential für Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukte in den Ländern entstehen wird.

Neben dem verfügbaren Einkommen wird die Nachfrage wesentlich durch generelle Veränderungen im Konsumverhalten beeinflusst. In den zehn neuen EU-Ländern werden zunehmend Gesundheitsaspekte in Kaufentscheidungen mit einbezogen. So sind beispielsweise Schaf-, Schweine- und Geflügelfleisch in Mode gekommen, die als gesünder gelten. Ein höheres Gesundheitsbewusstsein hat auch dazu geführt, dass Fleischprodukte vermehrt durch Milchprodukte ersetzt, Obst und Gemüse fetthaltigen Produkten vorgezogen werden und im Warenkorb der neuen Konsumenten in den neuen EU-Mitgliedern mehr Platz einnehmen. Ökologische Aspekte spielen bislang für die Verbraucher in diesen Ländern keine Rolle. Die positiven Einkommensentwicklungen werden den einsetzenden Gesundheitstrend noch weiter verstärken.

Förderlich für den Absatz deutscher Lebensmittel in Osteuropa ist nicht zuletzt das hervorragende Image, das die Produkte bei den Verbrauchern genießen. Nach einer Umfrage der CMA in Tschechien wurden deutsche Lebensmittel bei fast 60% der Befragten hinsichtlich ihrer Qualität mit gut bis sehr gut bewertet und haben aufgrund ihrer ansprechenden Aufmachung und Verpackung ein ausgezeichnetes Image.

Die häufig geäußerten Befürchtungen der deutschen Agrarbranche, die EU-Erweiterung werde zu einem starken Mengen- und Preisdruck auf den Agrarmärkten führen, haben sich nicht bewahrheitet. Die langfristigen Vorbereitungen der Osterweiterung über vorgenommene Marktanpassungen durch Assoziationsabkommen beugten diesen Entwicklungen vor. Bereits vor dem Beitritt wurde der Warenverkehr durch die so genannte Doppel-Null-Lösung liberalisiert, in deren Rahmen die zollfreie Ein- und Ausfuhr anhand von Kontingenten geregelt wird. Der Austausch von Waren wurde dadurch bereits wesentlich vereinfacht und belebt.

Dennoch hat sich der Zustrom von Waren aus den neuen Mitgliedsstaaten seit dem Beitritt ausgedehnt. Dazu gehören in erster Linie Produkte, deren Herkunft für den Verbraucher am Markt überhaupt kaum wahrgenommen wird, weil sie fast sämtlich weiterverarbeitet werden, wie beispielsweise Milchpulver für die Weiterverarbeitung oder den Drittlandsexport. Dieses Angebot war teilweise sogar willkommen, weil das Aufkommen in der EU-15 tendenziell zurückging und gleichzeitig der Weltmarkt mehr Nachfrage zeigte. Wichtigstes osteuropäisches Lieferland ist Polen mit Importen nach Deutschland im Wert von rund 955 Mio. Euro (2004). Wichtigste Ausfuhrartikel waren Fleisch, Milchprodukte sowie Obst und Gemüse.

Wenngleich sich die Befürchtungen bezüglich eines starken Preis- und Angebotsdrucks durch die Waren aus den neuen Mitgliedsländern nicht bewahrheitet haben, erhöht sich doch der Wettbewerbsdruck auf dem erweiterten Binnenmarkt. Hersteller von Lebensmitteln und Getränken in Deutschland müssen sich daher noch deutlicher auf ihre Erfolgsfaktoren konzentrieren, vor allem auf starke Marken und einen hohen Servicegrad.

Auch muss im Bereich der Ernährungswirtschaft noch weiterhin darauf geachtet werden, dass eine vollständige Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und des Verbraucherschutzes garantiert ist. Es gilt, die noch bestehenden Ausnahmen von den EU-Standards in der eingeräumten Übergangsfrist lückenlos zu überwachen und weiter an einer Anpassung aller Betriebe an das hohe EU-Niveau zu arbeiten.

Inzwischen stehen die die Länder der zweiten Osterweiterung vor den Türen der EU. Die Erweiterungsverhandlungen mit Bulgarien und Rumänien konnten am 14. Dezember 2004 erfolgreich abgeschlossen werden. Beitrittsdatum wird - vorausgesetzt die eingegangenen Verpflichtungen werden erfüllt - der 1. Januar 2007 sein. Die Verhandlungen mit Kroatien starteten im April 2005. Die Unternehmen der Ernährungsindustrie stehen auch diesem Beitritt positiv gegenüber und werden die sich daraus ergebenden Chancen zu nutzen wissen.

Quelle: Bonn [ bve ]

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