„Tischkultur liegt absolut im Trend“

Wettbewerb „Couvert d’Or“ auf der INTERGASTA 2006 / Interview mit dem „Deko-Experten“ Thomas E. Goerke

Die Präsentation von Tisch- und Tafelkultur in der Gastronomie und Hotellerie gehört alle zwei Jahre zu den Höhepunkten der Stuttgarter Branchenfachmesse INTERGASTRA, die vom 18. bis 23. Februar 2006 auf dem Messegelände Killesberg stattfindet. Die Ausstellung gilt als der Trendsetter für die hochwertige Restaurantküche. Ambitionierte Küchenprofis, Konditoren und Nachwuchsköche aus dem In- und Ausland stellen im Rahmen dieser hochkarätigen Kochkunstschau ihre Kreativität, innovative Ideen und ihr handwerkliches Können unter Beweis. Thomas E. Goerke, Beauftragter des DEHOGA Baden-Württemberg und des Verbands der Serviermeister, Restaurant- und Hotelfachkräfte, Sektion Stuttgart (VSR), stellte sich im Vorfeld der Messe unseren Fragen

Was bedeutet Tischkultur und warum sollte man Wert darauf legen?

Die Begriffe „Tisch- und Tafelkultur“ umfassen alles, was mit der Einnahme einer Mahlzeit zu tun hat. Dazu gehören alle Komponenten, die vom Gast über die Sinne wahrgenommen werden. Vom Ambiente des Raumes mit dem Mobiliar und der Dekoration, über die gedeckten Tische mit schön gebrochenen Serviettenformen, akkurat und regelgerecht eingedeckten Tellern, Bestecken und Gläsern, einem passenden geschmackvollen Tischschmuck bis hin zur Präsentation der servierten Speisen und Getränke. Und natürlich dem Verhalten und der Kleidung des Servierpersonals. Alle Utensilien müssen in der Art des Materials, in der Farbe, der Form und dem Stil aufeinander abgestimmt werden und in das Ambiente des jeweiligen Betriebes passen. Farbkontraste oder asymmetrische Formen können sich durchaus harmonisch in die Tischgestaltung einfügen.

Das Auge isst ja bekanntlich mit.

Deshalb sollte die Tischkultur beim Verzehr von Speisen und Getränken immer dabei sein, weil sie den Genuss wesentlich steigern kann. Dies gilt nicht nur für klassische Speiserestaurants, sondern auch für das Stehcafe und Selbstbedienungsbetriebe. Heutzutage werden in diesen Betrieben hochwertige Kaffeespezialitäten angeboten, die im Trend liegen. Schade nur, dass es mit der Präsentation manchmal hapert. Die Angst vor dem Diebstahl der Kaffeelöffel ist einerseits verständlich, andererseits widerstrebt es sicher dem Kunden seinen Cappuccino in der Porzellantasse mit einem Kunststoff- oder Holzstäbchen umzurühren oder auch für den Verzehr des Gebäcks um eine Serviette bitten zu müssen. Tisch- und Verzehrkultur kann und sollte auch im Einfachen existieren.

Wie steht es um die deutsche Tischdeckkunst, sind Sie zufrieden mit der Entwicklung?

Tischkultur liegt absolut im Trend. Steigende Verkaufszahlen bei Tisch- und Tafelgeräten sowie bei Gegenständen aus dem Bereich der „Home Decoration“ zeigen, dass je nach Bevölkerungsschicht ein mehr oder weniger hohes Interesse besteht, bereits zu Hause die Mahlzeit mit den entsprechenden Rahmenbedingungen abzurunden. Demzufolge steigen natürlich die Ansprüche an die Gastronomie. Sie hat nicht nur Vorbildfunktion bei der Qualität und der Anrichteweise der gebotenen Speisen und Getränke, auch bei den Rahmenbedingungen wie einer ansprechenden Tischdekoration muss Atmosphäre geschaffen und dem Gast das Gefühl vermittelt werden, willkommen zu sein. Das „Essen gehen“ soll ja etwas Besonderes sein und zum Erlebnis werden. Dieses wird von den meisten gastronomischen Betrieben erkannt und bei der Gestaltung der Gasträume berücksichtigt. Dass wir in Deutschland auf einem guten Weg sind, zeigen die zahlreichen Fachwettbewerbe rund um die schön gedeckten Tische, die meist im Rahmen von Gastronomiemessen wie der Wettbewerb „Couvert d'Or“ bei der INTERGASTRA 2006 in Stuttgart zeigt. Hier kommen der vielfältige Ideenreichtum und die Kreativität der Gestalter der Tischkultur gut zur Geltung und finden in der Öffentlichkeit hohe Beachtung.

Worauf achten Sie, wenn Sie sich an einen gedeckten Tisch setzen?

Zunächst nehme ich die Gesamtgestaltung des Tisches wahr, vor allem die Tischdekoration. Mein besonderer Augenmerk richtet sich dann sofort auf das persönliche Gedeck, wobei hauptsächlich der Mundserviette und deren Form meine Beachtung gilt. Mit akkurat und schön gebrochenen Servietten kann ein gedeckter Tisch zusätzlich dekoriert werden. Auch sollte mindestens ein Glas (als Universalglas) eingedeckt sein, damit die Gedecke dekorativer wirken. Das alle eingedeckten Materialien (Besteck, Gläser, Porzellan) hygienisch einwandfrei sein sollten, versteht sich von selbst.

Welche sind die häufigsten Faux-pas auf Restauranttischen?

Die Mischung von Becher- und Stielgläsern im Gedeck oder die gleichzeitige Verwendung von barocken, versilberten Kerzenleuchtern und einer modernen Besteckserie aus Edelstahl sind für mich Stilbrüche, die die ästhetische Harmonie der Tischkultur beeinträchtigen. Was die Blumendekoration betrifft, gibt es für mich keine Alternative zu frischen Blumen. Selbst eine einzelne frische Blume dekoriert den Tisch besser als leicht angestaubtes Trockengesteck. Hin und wieder sind auf Restauranttischen Topfpflanzen und -blumen zu entdecken. Diese haben wegen der Kleinlebewesen in der Erde nichts auf dem Speisetisch verloren.

Ihr Ideal vom gedeckten Tisch?

Es gibt für mich kein bestimmtes Ideal. Jeder schön gedeckte und dekorierte Tisch, bei dem der Gestalter sich Mühe gegeben hat, die Materialien harmonisch und stimmig passend anzuordnen ist eine ideale Einladung für den Gast, Speisen und Getränke sozusagen „ganzheitlich“ zu genießen. Vollendete Tischkultur wird immer geprägt sein vom persönlichen Geschmack und dem Sinn für Ästhetik des Gestalters. Dabei gilt es die vielfältigen Quellen für Dekorationsideen nutzen, Neues ausprobieren und einen eigenen Stil entwickeln.

Ihr aktueller Deko-Tipp?

Im Veranstaltungsbereich ist zu beobachten, dass die klassische Blumendekoration (meistens Gestecke) durch eine „verteilte“ Dekoration (verschiedene Gegenstände passend zum Anlass und/oder zur Jahreszeit auf dem Tisch verteilt) ergänzt wird. Hier ein Beispiel, was ich neulich bei einem Bankett als Gast erlebt habe: Auf der Tafel waren zusätzlich zu den in Gelb und Orange gehaltenen Gestecken kleine farbige Holzstäbchen willkürlich auf dem Tisch verteilt worden. Das lockerte das glatte Weiß der Tischdecke nicht nur auf, sondern war zusätzlich noch „interaktiv“. Während einer Wartezeit auf den nächsten Gang des Menüs nutzten zwei Gäste die Tischdekoration zum Mikado spielen und machten damit zusätzlich den Genuss des Abends zum Erlebnis.

Quelle: Stuttgart [ messe stuttgart ]

Kommentare (0)

Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht

Einen Kommentar verfassen

  1. Kommentar als Gast veröffentlichen.
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen