Kein Widerspruch: Ethnofood und regionale Küche

Trendexperte, Berater und Gastronom Pierre Nierhaus gibt auf der INTERGASTRA einen Ausblick zum „Restaurant der Zukunft“

Die Gastronomie ist im Wandel, der Gast von heute teilweise sehr wählerisch. Eine gute Küche und ein kühles Bier allein genügen längst nicht mehr, wenn man Kunden gewinnen will. Doch wie soll man auf neue Trends reagieren, wie sie vorhersehen oder gar mitbestimmen? Das richtige Konzept für den richtigen Bedarf am richtigen Ort – so ließe sich die Zauberformel für den Erfolg kurz zusammenfassen. Doch allein beim ersten Punkt, dem Konzept, straucheln bereits viele. „Angebot und Preise müssen ebenso stimmen wie das Design“, sagte Pierre Nierhaus bei seinem Vortrag „Global Concepts: Die Gastro-Trends dieser Welt“ im Rahmen des AHGZ-Dialogforums auf der INTERGASTRA 2006. „Was man unbedingt braucht, ist ein kommunizierbares Profil.“ Alles müsse passen, von der individuellen Speisekarte über einen zuvorkommenden Service bis zur Wanddekoration.

Viele Quereinsteiger mit unterschiedlichem beruflichen Hintergrund sind hier den Gastronomen gegenüber im Vorteil: Eben noch selbst Konsument, sind sie näher dran an den sich immer rascher ändernden Bedürfnissen und Wünschen der Kundschaft. „Manchmal wird ein leerstehendes Objekt von einem Quereinsteiger in ein unerwartet gut gehendes Lokal verwandelt, weil man auf neue Trends reagiert“, sagte Nierhaus. Das Problem sei hier in erster Linie die klassische Ausbildung: „Es wird nicht gelehrt, wie man das System verändert, wie man neue Konzepte entwickelt. Wir müssen zuerst die Ausbildung verändern, wenn wir wieder konkurrenzfähig werden wollen.“

Konkurrenz belebt das Geschäft, macht es aber auch schwieriger. Die Gastronomie müsse sich auf neue Marktteilnehmer einstellen. „Vor allem das Mittagsgeschäft wird für die klassische Gastronomie langfristig verloren gehen“, sagte Nierhaus. Neue Anbieter wie Bäckereien, Pizza-Services, Tankstellen und so genannte Convenience-Shops in Einkaufszentren hätten dem Tagesgericht in der Eckkneipe längst den Rang abgelaufen. Denn Zeit sei Geld. „Wer auf die geänderten Bedürfnisse der Kunden reagiert, hat eine Überlebenschance.“

Doch nicht nur das Feld der Mitbewerber hat sich gewandelt, sondern auch die Zielgruppe selbst. Mit den Arbeits- und Lebensgewohnheiten ändert sich das Profil des Gastes. Bestes Beispiel: die „jungen Alten“, also Senioren, die in den Nachkriegsjahren gut verdient haben und nun ihren Lebensabend – gerade mit ausgezeichnetem Essen - genießen wollen. Dafür nimmt die Gruppe der unter 25-Jährigen stetig ab. Diese mit neuen Ideen zurück an Tisch und Tresen zu locken, ist eine Wissenschaft für sich.

„Es gibt keine Liste der zehn wichtigsten Trends der nächsten Jahre“, sagte Nierhaus. „Und nur die ganz großen Trends kann man überhaupt nutzen, denn hier kommen viele kleine Trends zusammen.“ So sei die Beliebtheit der mexikanischen Küche parallel zum Boom der lateinamerikanischen Musik in Europa gewachsen. „Es gibt aber immer auch einen Gegentrend“, warnte Nierhaus. Zu den Trends und Gegentrends der vergangenen Jahre gehörten neben Fingerfood, Ethno-Food und Wohlfühl-Essen vor allem die Rückbesinnung auf die regionale Küche. Bei den Getränken gewinne das durch allerlei Mixturen wieder populäre Bier an Boden, ebenso wie der Wodka, als unabdingbare Grundlage für klassische Mixgetränke.

Mit den Konsumvorlieben hat sich Nierhaus zufolge auch der Kneipengeschmack geändert. „Superschicke Objekte sind nicht mehr gefragt, die Leute wollen eine Balance haben, einen Ausgleich für ihren harten Arbeitsalltag, ein Stück Urlaub. Auch Details wie beispielsweise passende Toiletten sind hier sehr wichtig.“ Erlebnisgastronomie und neue Gemütlichkeit würden daher ebenso groß geschrieben wie Motto- und Szene-Schuppen. Die Palette reiche von Mutters Esszimmer über die Coffee-Lounge bis zum mit BHs geschmückten Grunge-Laden. Corporate Identity und ausgewogenes Design, aber auch ein freundlicher und zum Ambiente passender Service seien mehr gefragt denn je.

Gibt es ein Erfolgsrezept? „Nein, aber man muss immer die Augen aufmachen und genau hinschauen“, rät Pierre Nierhaus, der bis heute elf eigene und als Berater mehr als 50 weitere Betriebe zum Erfolg geführt hat: „Man sieht überall neue Dinge, die einem viel nutzen können. Ein Drittel meiner Konzepte habe ich geklaut, ein Drittel ist Tradition, und ein Drittel sind eigene Ideen.“ Bei alledem sei jedoch oberstes Gebot, das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Und das heißt immer noch Wirtschaftlichkeit. Nierhaus: „Wenn Sie schnellen Schrittes, aber ziellos durch die Gegend rennen, kommen Sie nicht weiter.“

Quelle: Stuttgart [ Messe Stuttgart ]

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