Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit: Verbrauchervertreter bleiben ausgeschlossen

Lobbyisten und Beamte kontrollieren sich selbst

Im Aufsichtsgremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bleiben Regierungsvertreter und Lobbyisten der Ernährungswirtschaft auch künftig unter sich: Zum 1. Juli endet die Amtszeit von sieben der 14 Mitglieder des EFSA-Verwaltungsrates. Im neuen Verwaltungsrat wird entgegen den erklärten Zielvorgaben der EFSA kein einziger unabhängiger Verbrauchervertreter sitzen. Die EFSA wurde 2002 als Konsequenz aus dem BSE-Skandal gegründet. "Dass sich nun Repräsentanten der Lebensmittelproduzenten und der Regierungen die Posten im Aufsichtsgremium untereinander aufteilen, ist ein Warnsignal für den europäischen Verbraucherschutz", sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. "Einmal mehr kontrollieren die zu Kontrollierenden sich selbst."

Zwar bleibt die bisher einzige Vertreterin einer Verbraucherorganisation, Deirdre Hutton, im EFSA-Verwaltungsrat - als Beschäftigte der UK Food Standards Agency ist sie aber inzwischen der britischen Regierung weisungsgebunden. Drei Interessenvertreter der Lebensmittelwirtschaft sind erneut in den Verwaltungsrat berufen worden: Peter Gaemelke, Präsident des Europäischen Bauernverbandes COPA, Roland Vaxelaire von der französischen Supermarktkette Carrefour und Bart Sangster vom Lebensmittelriesen Unilever. Hinzugekommen ist Konstantinos Yazitzoglou, General Manager des Lebensmittelherstellers Hellenic Quality Foods in Griechenland. Aus Deutschland ist nach wie vor Matthias Horst, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, in dem Gremium.

Im EFSA-Gründungsprotokoll ist vorgesehen, dass vier der 14 Verwaltungsratmitglieder Repräsentanten von Verbraucher- und anderen Interessen im Nahrungsmittel-Bereich sind. "In Sonntagsreden beschwört Bundesverbraucherminister Seehofer immer wieder, dass zwischen Ernährungswirtschaft und Verbrauchern keine Interessengegensätze bestehen - im EU-Ministerrat hätte er eine Chance gehabt, sich für eine Korrektur dieser krassen Fehlentscheidung einzusetzen", sagte vzbv-Chefin Edda Müller.

Deutsche Wissenschaftler im Werbefilm

Wie wichtig der Verwaltungsrat zur Wahrung der Unabhängigkeit der EFSA ist, illustriert ein 2005 von deutschen Medien aufgedeckter Fall. Das ARD-Magazin Report hatte berichtet, dass drei Deutsche im wissenschaftlichen Ausschuss für Gentechnik in ihrer Entscheidungsgrundlage befangen waren. Hans-Jörg Buhk, der Leiter der Referatsgruppe Gentechnik beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und sein Stellvertreter Detlef Bartsch waren 2002 in einem Werbefilm über Genmais aufgetreten - produziert von sechs großen Gentechnikfirmen. Joachim Schiemann, leitender Beamter an der Biologischen Bundesanstalt (BBA) stand auf der Mitgliederliste des Pro-Gentechnik-Lobbyvereins FINAB. Die drei Wissenschaftler sind auch heute noch im Experten-Gremium für Gentechnik der EFSA aktiv.

Die wissenschaftlichen Einschätzungen der EFSA dienen der EU-Kommission als Entscheidungsgrundlage für die Gesetzgebung. Besonders im Bereich der gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ist die einflussreiche Behörde in der Vergangenheit scharf kritisiert worden. Von ihr verfasste Gutachten zur Gentechnik fielen regelmäßig zugunsten der Biotech-Industrie aus. Darunter waren Organismen, an deren Unbedenklichkeit Wissenschaftler in EU-Mitgliedsstaaten erhebliche Zweifel hatten, wie etwa der Genmais MON836 oder BT11.

Die EFSA hat nun angekündigt, im Bereich der GVO in Zukunft mehr mit den Wissenschaftlern in den Mitgliedstaaten zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. "Wir begrüßen es, wenn auf diese Weise sicher gestellt wird, dass auch kritische Stimmen im Zulassungsverfahren gentechnisch veränderter Organismen zu Wort kommen," sagte die vzbv-Chefin. "Eine echte Ausgewogenheit der Interessen im Verwaltungsrat und in den wissenschaftlichen Gremien kann dadurch aber nicht ersetzt werden."

Quelle: Berlin [ vzbv ]

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