Schweizer Fleischwirtschaft präsentiert Vier-Punkte-Plan zur raschen Umsetzung des Freihandels mit der EU

Zunehmend negative Folgen des agrarpolitischen Grenzschutzes auf die Schweizer Inlandwirtschaft

Der Bundesrat soll keine Zeit mehr verlieren und ohne Verzug Verhandlungen mit der EU für ein umfassendes Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich aufnehmen. Diese deutliche Forderung richtete der Vizepräsident des Schweizer Fleischfach-Verband SFF, Ständerat Rolf Büttiker, im Rahmen der Jahresmedienkonferenz der Schweizer Fleischwirtschaft an die Adresse der Landesregierung. Gleichzeitig präsentierte der Verband einen Vier-Punkte-Plan, der aufzeigt, wie aus Sicht der durch schlechte Rahmenbedingungen arg bedrängten Fleischwirtschaft das Ziel des Agrarfreihandel mit der EU erreicht werden soll. Eine grundlegende Neuorientierung fordert der SFF auch bei den Außenhandelsregeln, welche in einem immer unerträglicheren Masse den auf den Binnenmarkt ausgerichteten Teil der Fleischbranche beeinflussen.Der agrarpolitische Grenzschutz hat zu einer eigentlichen Abschottung der Fleischbranche vom Ausland geführt. Dies mit zunehmendnegativen Folgen. Allein das Versteigerungsverfahren des Bundes, welches von der Fleischwirtschaft als "Sondersteuer" gewertet wird, dürfte im laufenden Jahr die Branche mit 180 Mio. Franken belasten. Diese Zusatzbelastung fällt an, ohne dass sich 2006 die Einfuhren erhöht hätten.

Positives hat der SFF von der Konsum- und Produktionsfront zu berichten. Mit einer Zunahme von 5% beim Rindfleischverbrauch hat das Wachstum im Jahr 2006 weiter an Kraft gewonnen. Auch der Verbrauch von Schweinefleisch steht im Plus. Trotz der erfreulichen Konsumnachfrage befinden sich allerdings die Verarbeitungs- und Handelsspannen der Fleischwirtschaft im Sinkflug, was die Ertragskraft der Branche zusätzlich schwächt.

Positive Konsumentenstimmung zum Fleischgenuss

Trendwende geschafft - "Fleischwirtschaftsjahr 2007" gewinnt an Fahrt

Produktion und Konsum von inländischem Rindfleisch haben 2006 die Trendwende zum Wachstum geschafft. Dies ist das wichtigste Merkmal, das die schweizerische Fleischwirtschaft gegenwärtig charakterisiert. Die Nachfrage nach „Fleisch und Wurst“ entwickelte sich positiv, wenn der Einbruch beim Geflügel ausgeklammert wird. Dieses leidet weiter unter den Nachwehen der Vogelgrippe.

Wie der Präsident des SFF, Bruno Kamm, an der Medienkonferenz berichten konnte, setzte sich der Produktionszuwachs auch im ersten Quartal des laufenden Jahres fort. Gegenüber der Vorjahresperiode wurde rund 4 Prozent mehr Rindfleisch für die Verarbeitung zu Wurstwaren und Charcuterie-Artikeln gewonnen. Auch die Schweinefleischproduktion bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau. Nach einem verhaltenen Start ins Jahr 2007 kann gegenwärtig die für schweizerische Begriffe hohe Produktion gut verarbeitet, veredelt und abgesetzt werden. Die Vermarktung von Rind- und Schweinefleisch verläuft gegenwärtig problemlos, obschon das Angebot im Vergleich zum Jahr 2006 – und vor allem gegenüber dem Vorjahr 2005 – deutlich höher liegt.

Auch wenn sich Produktion und Konsum mit positiven Vorzeichen entwickeln, so besteht laut Bruno Kamm keine Gefahr von Überhitzung. Es müsse noch lange nicht befürchtet werden, dass sich die Konsumentinnen und Konsumenten zu einseitig mit Fleisch ernähren. Der aktuelle jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von 51 Kilogramm liege noch weit entfernt von dem im Jahre 1987 erreichten Spitzenwert von über 70 Kilogramm.

Sehr deutlich dagegen ist der gebremste Höhenflug des Geflügels ausgefallen. Gleichzeitig wird aber sichtbar, dass bei Geflügelfleischprodukten beachtliches Potenzial besteht, falls externe negative Einflüsse wie die Vogelgrippe ausbleiben.

Als wesentliche Herausforderung bezeichnete Bruno Kamm die sinkenden Verarbeitungs- und Handelsspannen der Fleischwirtschaft. Als Grund sieht er die weitere Intensivierung des Wettbewerbs, vor allem auch durch den Markteintritt neuer Nahrungsmitteldetaillisten. Kalkulationen des SFF für das Jahr 2006 haben ergeben, dass bei der Gewinnung, Veredelung und dem Vertrieb von Frischfleisch eine Reduktion der Bruttomargen von rund drei Prozentpunkten zu verzeichnen war. Diese Entwicklung verstärkt die Herausforderung für die Unternehmen eine genügende Ertragskraft aufrecht zu erhalten. Die schweizerische Fleischwirtschaft wird jedoch, so Kamm, auch in Zukunft an ihrer Qualitätsstrategie festhalten. Die gute Konjunktur und eine allgemein positive Konsumentenstimmung erleichterten es heute, die erhöhte Inlandproduktion im Rinds- und Schweinefleischbereich zu verkaufen.

Durch schlechte Rahmenbedingungen arg bedrängt

Agrarpolitischer Grenzschutz mit zunehmend negativen Auswirkungen auf die Fleischwirtschaft

Gemäß Balz Horber, Direktor des SFF, ist eine grundlegende Neuorientierung im Bereich der Außenhandelsregeln unausweichlich und aus Sicht der Branche dringend nötig. Die staatlichen Rahmenbedingungen, die mit Blick auf den Außenhandel konzipiert sind, beeinflussten immer stärker auch den auf den Binnenmarkt ausgerichteten Teil der Fleischbranche. Der agrarpolitische Grenzschutz wirke sich, so Balz Horber, zunehmend negativ aus. Der Abbau der technischen Handelshemmnisse wird vom SFF zwar begrüßt, doch seien noch Verbesserungen erforderlich. Die Tatsache, dass 98,5 Prozent der Inlandproduktion von Fleisch im Inland verkauft wird und nur 1,5 Prozent den Weg in den Export finde zeige deutlich, dass der Grenzschutz zu einer eigentlichen Abschottung der Fleischbranche vom Ausland geführt habe. Dringender Handlungsbedarf ortet Balz Horber bei der Überprüfung der Gewerbetauglichkeit der mit dem EU-Hygienerecht übernommen Bestimmungen, bei der Sicherstellung des freien Warenaustausch unter schweizerischen Gewerbetreibenden im Inland sowie bei der Beseitigung von Zolldisparitäten, welche den Trockenfleisch-Fabrikanten vor allem gegenüber ihrer italienischen Konkurrenz das Leben schwer machen.

Besonders einschneidend ist die Belastung, die sich aus der Versteigerung der Importzollkontingente ergibt. Im Jahre 2006 wurden die Einfuhrrechte von rund 49'000 Tonnen versteigert, die der Bundeskasse einen Erlös von 122,8 Mio. Franken einbrachten – und der Fleischbranche die entsprechenden Kosten verursachten. Nach Abschluss der Übergangsphase wird nun im laufenden das Versteigerungsverfahren vollumfänglich angewendet. Dies wird zu einer weiteren Belastung der Fleischbranche in der Höhe von 180 Mio. Franken führen. Das trotz steigender Belastung die Einfuhren 2006 nicht zugenommen haben, wiegt dieser Umstand umso schwerer.

Gewerbe, Industrie, Großverteiler und weite Kreise der Landwirtschaft sind sich darin einig, dass die Einführung des Versteigerungsverfahrens in der nun vorliegenden Form ein Fehler gewesen ist. Die Belastung der Branche durch diese „Sondersteuer“ ist außerordentlich stark. Sie ist ganz bestimmt stärker als die – nach Ansicht von Balz Horber und des SFF theoretischen – Vorteile, die man in forcierten Strukturveränderungsprozessen sehen könnte. Es sei, so Horber, nicht Aufgabe des Staates, Strukturpolitik zu betreiben. Dies sei auch der Grund, weshalb das Parlament der Ausdehnung des Versteigerungsverfahrens auf weitere Agrarprodukte eine klare Absage erteilt habe.

Wie zu erfahren war, befasst sich trotz dieser widrigen Umstände eine zunehmende Zahl von Fleischwirtschaftsbetrieben mit den Fragen des Exports. Insgesamt ist der Export auf tiefem Niveau um 2 Prozent angestiegen. Bei Produkten aus Rinds- und Schweinefleisch, also bei klassischen Wurstwaren, sieht die Bilanz mit einem Zuwachs von 6 Prozent auf gut 3'800 Tonnen etwas besser aus. Wurstwarenspezialitäten finden auf ausländischen Märkten durchaus Interessenten. Schwierigkeiten bereitet der Branche aber die Preisgestaltung im Ausland infolge der hohen Kosten. Anders als bei Schokolade oder Käse müssen Fleischwarenexporteure ohne einen Ausgleich des Rohstoffpreishandicaps und ohne eine Verbilligung des inländischen Rohmaterials, das verarbeitet wird, auskommen.

Forderung nach einer zielgerichteten Vorwärtsstrategie

Vier-Punkte-Plan zur Umsetzung des Agrarfreihandels mit der EU

Vor dem Hintergrund der sich zunehmend verschlechternden Rahmenbedingungen fordert die Schweizer Fleischwirtschaft den Bundesrat auf, die Verhandlungen mit der EU für ein umfassendes Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich ohne Verzug aufzunehmen. Der Schweizer Fleisch-Fachverband SFF verlangt Freihandel für Produktionsmittel, Schlachttiere, Frischfleisch und Fleischerzeugnisse und hält nichts von punktuellen Teil-Liberalisierungen, beispielsweise für einzelne Fleischerzeugnisse, weil solche ihrer Ansicht nach kontraproduktiv wären und zu Verzerrungen auf dem Markt führen würden.

Ziel ist die nachhaltige Verbesserung der Rahmenbedingungen des schweizerischen Ernährungssektors bei Wahrung der Souveränität in der Landwirtschafts- und Außenhandelspolitik. Deshalb setzt sich der Schweizer Fleisch-Fachverband SFF dafür ein, dass mit dem klaren Ziel des Freihandels rasch Entscheidungen herbeigeführt werden, dann aber genügend Zeit dafür eingeräumt ist, um den betroffenen Betrieben die Anpassung an die neue Situation zu erleichtern. Die mit dem Freihandel verbundenen Risiken des zusätzlichen Importdruckes müssen in dieser Zeit durch eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit minimiert werden. Gleichzeitig sind die Voraussetzungen zu verbessern, dass die Chancen des Freihandels im Export genutzt werden können.

Der SFF geht davon aus, dass ein umfassender Freihandel mit der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich auf Mitte des kommenden Jahrzehntes realisiert sein wird und hat konkrete Vorstellungen darüber, wie der Weg dorthin verlaufen soll.

Im Rahmen der Jahresmedienkonferenz präsentierte der SFF Vizepräsident, Ständerat Rolf Büttiker, erstmals einen Vier-Punkte-Plan, der aufzeigt, wie sich der SFF den Gang in die Agrarfreihandels-Zukunft vorstellt. Gleichzeitig ist der Plan auch ein Veto Büttikers und des SFF, wie man sich die Umsetzung der von Rolf Büttiker und Nationalrat und Bauernpräsident Hans Walter in den Räten eingereichten Motion vorstellt. Der Ständerat hat diesen Vorstoß bereits überwiesen, die Überweisung durch den Nationalrat steht noch aus.

Die Forderungen des präsentierten Vier-Punkte-Plans bestehen einerseits darin, mit der EU ohne Verzug Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen im Agrar- und Lebensmittelbereich aufzunehmen, gleichzeitig aber auch die folgenden Meilensteine auf dem Weg zu diesem Ziel zu setzen:

1. Anreize für Inlandleistung schaffen

Von den Importzollkontingenten werden 50 Prozent weiterhin versteigert und 50 Prozent nach einer Leistung bei der Vermarktung der Inlandproduktion zugeteilt. Die Definition dieser Leistung ist mit den betroffenen Kreisen im Detail zu diskutieren. Inlandschlachtungen, aber auch weitere Kriterien können dabei in Frage kommen. Jedenfalls sollen sich die Leistungen lohnen, die im Inland für die Land- und Ernährungswirtschaft erbracht werden.

Die Belastung durch das Versteigerungsverfahren beträgt damit rund 90 statt 180 Mio. Franken. Die reduzierte Zusatzbelastung begünstigt die kapitalintensive Schlacht-Infrastruktur und fördert allenfalls weitere Elemente der Inlandleistung. Der Bundeskasse bleiben Mittel aus den Auktionen, die zur Förderung der Vieh- und Fleischwirtschaft auf dem Weg zum Agrarfreihandel eingesetzt werden sollen.

2. Kostengünstiger Fleisch produzieren

Die Zollbelastung für Futtermittel wird reduziert. Futtermittel können in der Vieh- und Fleischwirtschaft zu wesentlich günstigeren Bedingungen eingesetzt werden. Dem betroffenen Ackerbau werden zur Umstellung Kompensationszahlungen entrichtet.

Diese Maßnahme setzt bei den Kosteneinsparungen ein. Die Wettbewerbsfähigkeit der Schweine- und Geflügelfleischproduktion wird gestärkt. Gefördert wird insbesondere die Primärproduktion von Fleisch. Die Kostenreduktion verbessert die Ausgangslage bei der künftigen Marktöffnung.

3. Importzollkontingente abschaffen

Bei einer Wiederaufnahme der WTO-Doha-Runde kommen Zölle und interne Marktstützungsmassnahmen unter Druck. Um diesen Druck rechtzeitig auffangen zu können, ist die interne Diskussion über die Frage von Einheitszöllen (keine Spaltung der Zölle innerhalb und außerhalb der Kontingente) aufzunehmen.

Die mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen würden dannzumal abgeschafft, was den Übergang zu einem ordnungspolitisch korrekten landwirtschaftlichen Grenzschutz auf multilateraler Ebene erlaubt. Das Versteigerungssystem wird damit obsolet, ebenso wie die kurzfristig getroffenen Entlastungsmaßnahmen.

4. Fitness durch EU-Agrarfreihandel erreichen

Ein umfassendes Freihandelsabkommen der EU im Agrar- und Lebensmittelbereich tritt Mitte des nächsten Jahrzehnts in Kraft. Es verzichtet auf Teilliberalisierungen und schafft Freihandel für Produktionsmittel, Schlachtvieh, Frischfleisch und Fleischerzeugnisse. Landwirtschaft und Verarbeiter verfügen über eine klare Perspektive.

Die Einkaufstouristen werden zurück gewonnen und damit bedeutende Absatzsteigerungen erzielt. Die schweizerische Fleischproduktion und –verarbeitung wird durch eine erhöhte Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Der Export von Fleischwarenspezialitäten kompensiert die Einfuhren und legt die Basis für das Wachstum der Branche.

Rolf Büttiker bezeichnete die Präsentation des Plans als eine wichtige Weichenstellung in einer schwierigen Phase. Der Druck nach Grenzöffnungen, der durch die Doha-Runde der Welthandelsorganisation WTO ausgeübt wurde, sei momentan weniger stark spürbar, als noch vor einem Jahr. Dies habe deutliche Auswirkungen auch auf die parlamentarischen Beratungen zur „AP 2011“. Die Experten seien sich jedoch darin einig, dass mit größter Wahrscheinlichkeit die bisher in der WTO erzielten Kompromisse früher oder später wieder aufgenommen würden, was auf eine Halbierung der Agrarzölle weltweit hinauslaufen würde.

Wer sich heute in der trügerischen Hoffnung alles beim alten belassen zu können hinter scheinbar stabilen Grenzwällen verstecke, werde morgen mit größter Sicherheit eine teure Rechnung präsentiert bekommen, meinte Rolf Büttiker. Man trete deshalb gerade jetzt mit diesem konkreten Plan an die Öffentlichkeit und appelliere damit vor allem auch an den Bundesrat, in einer schwierigen Phase keine Zeit zu verlieren und das angestrebte Ziel im Auge zu behalten. Dies sei nötig und – mit mutigen Entscheiden – auch möglich.

Quelle: Zürich [ SFF ]

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