Konkurrenzkampf mit Hilfe der Staatsanwaltschaft?
Wer und was steckt hinter den Ermittlungen gegen Tönnies
Mitternächtlicher Besuch vom Eichamt - manipulierte Waage - Aussagen durch geschassten Mitarbeiter: Übernahmekampf mit harten Bandagen?
Diese Woche hat sich der Spiegel die Fleischwirtschaft vorgenommen. Diesmal geht es nicht um Gammelfleisch sondern um den „Krieg der Schweinebarone“. Bei diesem Krieg sieht sich Tönnies, deutscher Marktführer bei den Schweineschlachtungen, angegriffen. Laut Spiegel ist Vion, in Deutschland die Nummer 2, der Angreifer.
Begonnen hat die Geschichte mit einer Anzeige, die auf eine anonyme Aussage basierte. Eingereicht hatte die ein SPD-Bundestagsabgeordneter (Peter Danckert), der zumindest in früheren Jahren als Aufsichtsratsvorsitzender mit der heutigen Vion-Tochter Moksel verbunden war.
Nachdem diese Anzeige über einige Umwege bei der zuständigen Staatsanwaltschaft in Bochum landete schob diese auch Ermittlungen an. Laut Spiegel wurde dabei auch der anonym Aussagende durch Beamte des LKAs ermittelt. Der Mann war zu diesem Zeitpunkt bei Vion beschäftigt und früher in gehobener Position für Tönnies tätig. Dort musste er gehen, nachdem ihm Betrug zu lasten Tönnies (700.000 €) nachgewiesen war. Hierfür ist er auch rechtskräftig verurteilt.
Bei den Ermittlungen gegen Tönnies geht es zum einen um den Vorwurf bei der Warenannahme zu lasten der Lieferanten manipuliert zu haben und zum anderen um angebliche nicht abgesprochene Rezepturabweichungen zu ungunsten von Kunden. Tönnies bestreitet beides.
Wegen dieser Vorwürfe wurden Mitte September im Auftrage der Staatsanwaltschaft Bochum durch Beamte der Staatsanwaltschaft, des Landeskriminalamtes NRW und der Steuerfahndung Bielefeld Durchsuchungen in ca. 30 Objekten (Wohn- und Geschäftsräumen) sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in anderen Bundesländern (Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt) sowie auf Zypern durchgeführt. Dabei wurde umfangreiches Beweismaterial sichergestellt, das zunächst ausgewertet werden muss. Die Staatsanwaltschaft Bochum sieht noch mindestens 3 Wochen Zeitbedarf zur Sichtung der Unterlagen, vorher könne nicht von einer Verdichtung der Vorwürfe gesprochen werden.
Der Mann vom Eichamt
„Dass ein Beamter sich weit nach Dienstschluss an einer Waage zu schaffen macht, ist indes an Rätselhaftigkeit schwer zu überbieten“, schreibt der Spiegel dann zu einer Begegnung der anderen Art am 26.* September:
Zu fast mitternächtlicher Stunde um kurz nach 23.00 Uhr erscheint ein Eichbeamter bei Tönnies. Er geht schnurstracks und scheinbar ohne die im Betrieb erforderliche Hygiene-Schutzbekleidung zu einer im Bereich der Warenannahme befindlichen Kontrollwaage, beschäftigt sich mit dieser und verschwindet wieder. Dem guten Mann war dabei wohl nicht bekannt, dass bei Tönnies in diesem Bereich verschiedene Kameras die Betriebsabläufe aufzeichnen. Nach Aussage von Tönnies-Sprecher von Gumppenberg war die Waage offensichtlich danach verstellt.
Die Kontakt-Arena
Wenige Tage nach der Durchsuchungsaktion Mitte September traf Clemens Tönnies laut Spiegel-Bericht in der Münchener Allianz-Arena auf einen ranghohen Vion-Manager. Dabei habe der, mit entsprechenden Vorwürfen nachhaltig konfrontiert, nach Aussagen Tönnies „zugegeben ..., dass er etwas mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu tun hat.“ Die Schilderung des vermeintlichen Geständnisses gäbe es laut Spiegel allerdings nur von Tönnies.
Aus dem Hause Vion gibt es zu dem Thema unterdessen keine Stellungnahme.**
Wegducken
In der Fleischbranche wirken einige Mitbewerber der Kontrahenten erschrocken. So war unter anderem zu hören, dass man selbst im Umfeld der nahen Nahrungsmesse Anuga (13. bis 17. Oktober in Köln) auf geplante PR-Maßnahmen verzichte, um ja nicht aufzufallen.
Zu einem Teil ist das zu verstehen, garniert doch auch der Spiegel seinen Bericht mit üblichen Verweisen auf „Wanderarbeiter“ und die die Umgebung erdrückende Schlachtstätte in Weißenfels, auch lassen sich örtlicher NGG-Mann und Arbeitsministeriums-Staatssekretär gerne zum „Feindbild“ Tönnies zitieren. Und wer möchte schon auf diesem Wege Publicity erlangen?
Anmerkungen:
* Der Spiegel hatte von dem Besuch am Mittwoch geschrieben. Tatsächlich aber fand die mysteriöse Visitation in der Nacht von Dienstag den 25. September bis Mittwoch, den 26. statt.
** Stellungnahmen der Vion und des Landesbetriebes Mess- und Eichwesen finden Sie in unserem [Update]
Quelle: Hemsbach [ Thomas Pröller ]