Deutsche wollen mehr Nachhaltigkeit im Einkaufskorb

NOcsPS-Produkte – also ohne Pflanzenschutzmittel, aber mit Mineraldünger hergestellte Lebensmittel – würden gut ein Fünftel der Deutschen kaufen. Und sie wären bereit, dafür mehr zu bezahlen. | Bildquelle: Universität Hohenheim / Oskar Eyb

Gut ein Fünftel der Deutschen würden Lebensmittel kaufen, die ohne chemischen Pflanzenschutz, aber mit gezieltem Mineraldüngereinsatz hergestellt wurden. Und: Sie wären bereit, dafür auch tiefer in die Tasche zu greifen. Das haben Wissenschaftlerinnen der Universität Hohenheim in Stuttgart am Beispiel von Milch und Milchprodukten untersucht. Denn die Vermarktungsfähigkeit der aus dem sogenannten NOcsPS-Anbausystem resultierenden Lebensmittel ist eine Voraussetzung für dessen Etablierung.
 

Es könnte das Agrarsystem der Zukunft werden: Ein Anbausystem, das keinen chemisch-synthetischen Pflanzenschutz zulässt, gleichzeitig aber gezielten Mineraldüngereinsatz ermöglicht. Es vereint Vorteile der konventionellen und der ökologischen Landwirtschaft und reduziert deren jeweiligen Nachteile. Ein solches Anbausystems zu entwickeln ist Ziel des Forschungsvorhabens „LaNdwirtschaft 4.0 Ohne chemisch‐synthetischen PflanzenSchutz“ (NOcsPS, Aussprache: nʌps) an der Universität Hohenheim.

Doch damit ein solches System zwischen konventionell und ökologisch sich etablieren kann, muss eine Voraussetzung gegeben sein: „NOcsPS-Produkte können sich langfristig nur am Markt durchsetzen, wenn eine Verbraucherakzeptanz und auch eine Mehrzahlungsbereitschaft vorhanden sind“, erklärt Marie-Catherine Wendt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Verbraucherverhalten in der Bioökonomie. Sie hat in einer repräsentativen Online-Befragung von 1.010 Personen die Zahlungsbereitschaft der Verbraucher:innen für NOcsPS-Produkte ermittelt und die Größe sowie Charakteristika einer potenziellen Zielgruppe in Deutschland analysiert.

Vor allem Frauen und Ältere würden NOcsPS-Produkte kaufen…
Die Studienergebnisse zeigen: Etwa 23 Prozent der deutschen Bevölkerung können den „Zukünftigen Konsument:innen“ zugeordnet werden. Dieses Verbrauchersegment zeichnet sich durch eine grundlegende Ablehnung gegenüber dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Lebensmittelproduktion aus.

„Weiterhin finden wir hier einen höheren Anteil weiblicher und älterer Konsument:innen“, erläutert Wendt. Außerdem zeige diese Gruppe ein ausgeprägtes Bewusstsein für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln sowie möglichen Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit.

…und dafür mehr Geld ausgeben
Die Verbraucher:innen wären laut der Studie auch bereit, für NOcsPS-Lebensmittel mehr zu bezahlen, hält Wendt fest: „Im Durchschnitt würden sie für NOcsPS-Milch 31 Prozent, für NOcsPS-Käse 23 Prozent und für NOcsPS-Butter 24 Prozent mehr ausgeben als für konventionelle Vergleichsprodukte.“

„Entscheidungsträger:innen in der Agrar- und Ernährungsindustrie können unsere Erkenntnisse nutzen“, ergänzt Jun.-Prof. Dr. Ramona Weinrich, Leiterin des Fachgebietes Verbraucherverhalten in der Bioökonomie. „Sie sollten eine verständliche Kennzeichnung von Produkten entwickeln und sicherstellen, dass diese Produkte in der Gesellschaft glaubwürdig sind.“

HINTERGRUND: Verbundprojekt „LaNdwirtschaft 4.0 Ohne chemisch‐synthetischen PflanzenSchutz“ (NOcsPS)
Das Projekt „Hypothetische Zahlungsbereitschaftsanalyse und Zielgruppenanalyse für Milch- und Milchprodukte hergestellt ohne chemisch-synthetischen Pflanzenschutz“ mit der Studie „Consumer Segmentation for Pesticide-free Food Products” startete 2022. Es ist ein Ergänzungsprojekt zum Verbundprojekt NOcsPS.

Der Startschuss für NOcsPS fiel im Juni 2019, es läuft bis November 2024. An den verschiedenen Aspekten der Entwicklung des NOcsPS-Anbausystems arbeiten insgesamt 28 Verbundprojekte. Das Themenspektrum ist breit: Von der Produktion im Rahmen von System-, Exakt- und on-farm Versuchen auf Parzellen-, Feld-, Betriebs- und Landschaftsebene über die ökologische, ökonomische sowie soziale Bewertung bis hin zur Akzeptanz und Zahlungsbereitschaft entlang der Wertschöpfungskette.

Die Universität Hohenheim koordiniert das Projekt. Weitere Projektpartner sind das Julius-Kühn-Institut (JKI) und die Georg-August-Universität Göttingen. Gefördert wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm „Agrarsysteme der Zukunft“ mit knapp 5,3 Mio. Euro, davon rund 4,5 Mio. Euro für die Universität Hohenheim. Die Verbundkoordination liegt in der Hand von Prof. Dr. Enno Bahrs vom Fachgebiet Landwirtschaftliche Betriebslehre der Universität Hohenheim.

https://www.uni-hohenheim.de/

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