Aseptische Getränkeproduktion – sicher und wirtschaftlich?
Branchenvertreter diskutierten Optimierungspotenzial und Alternativen zur Aseptik auf Fresenius-Fachtagung in Mainz
Holzschöpfer und Milchkanne haben längst ausgedient, der gute alte Brunneneimer ebenso. Zwischen den einfachen Abfüllmethoden von einst und der komplexen Technik von heute liegen Welten. Ingenieurskunst und Hygienestandards haben sich weiterentwickelt, Verbraucher werden kritischer und anspruchsvoller: Frisch, haltbar, nachhaltig und bezahlbar – so lautet das Anforderungsprofil an Getränke und Lebensmittel. Inhalt und Verpackung sind davon gleichermaßen betroffen. Vom 5. bis 6. November 2009 fand in Mainz die 7. Fresenius-Fachtagung „Aseptische Getränkeproduktion“ statt. Ist Aseptik ein Garant für die sichere und wirtschaftliche Herstellung von Getränken? Welche Alternativen zur Aseptik gibt es? Das sind die zentralen Fragen, mit denen sich 21 Fachreferenten beschäftigten.Daniel Warrick (Warrick Research, Großbritannien) versorgte die rund 120 Konferenzteilnehmer zum Auftakt mit aktuellen Markdaten. Danach wurden 2008 weltweit rund 120 Billionen Verpackungen (50 Billionen Liter) mit Milch- und Milchprodukten befüllt, im Bereich der Getränke lag die Zahl der Füllungen bei knapp 70 Billionen Packungen (36 Billionen Liter). Heute sind mehr als 11.000 aseptische Füllsysteme im Einsatz, die von mehr als 30 Unternehmen geliefert werden. Ein Drittel des Aseptik-Weltmarktes entfällt auf Westeuropa, ebenso stark vertreten ist der asiatisch-pazifische Raum, während Nordamerika nur einen Anteil von unter zehn Prozent hat. Diese Zahlen verdeutlichen einerseits die weltweite Bedeutung der aseptischen Getränkeproduktion. Andererseits wies Warrick darauf hin, dass es in manchen Ländern aus Kostengründen und aufgrund des einfacheren Verfahrens einen Trend zurück zur Heißabfüllung gebe.
Aseptische Abfüllung: Einsparpotenziale durch verlängerte Laufzeiten
Dr. Peter Golz (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, VDMA) beschäftigte sich mit der Frage, ob sich verlängerte Laufzeiten bei der aseptischen Abfüllung lohnen. Längere Produktionszeiten liegen im Trend, denn sie versprechen Einsparpotenziale. Golz betrachtete exemplarisch den Fall der aseptischen Abfüllung von H-Milch in Kartonverpackungen mit einer Abfüllleistung von 7000 Packungen pro Stunde. Wird das Produktions-Intervall von 24 Stunden auf 100 Stunden erhöht, können knapp 18 Prozent der maschinenbezogenen Herstellkosten gespart und die Anfahrtsverluste um 19.000 Packungen pro Jahr reduziert werden – laut Golz eine Gesamtersparnis von bis zu 55.000 Euro pro Maschine und Jahr.
Hygienerisiko: Unsterilität lässt Kosten explodieren
Doch es gibt auch eine Kehrseite der Medaille: Mit zunehmender Produktionsdauer zwischen den Reinigungen steigt das Hygienerisiko: „Produktablagerungen in produktführenden Leitungen nehmen zu und vergrößern damit das Risiko, dass Produktreste nach der Reinigung in den Leitungen verbleiben“, erklärte Golz. Durch Unsterilität können die Einsparungen schnell aufgefressen werden, wie ein Worst-Case-Szenario am obigen Beispiel zeigt: Tritt die Störung nach 24 Stunden auf und wird die Unsterilität erst nach 72 Stunden erkannt, beläuft sich laut Golz’ Rechnung der Produktionsverlust auf mehr als 500.000 Verpackungen. Das heißt: Eine Unsterilität kompensiert die Einsparung von bis zu viereinhalb Jahren. Ob sich eine verlängerte Produktionszeit rechnet, hängt daher von der Frage der Qualitätskosten ab, die sprunghaft steigen können. Golz: „Ein Blick in die Störfalldokumentation hilft, das bestehende Kostenrisiko beim Übergang zu längeren Produktionszeiten einzuschätzen. Zu empfehlen ist auch ein Erfahrungsaustausch mit Betrieben, die bereits längere Produktionszeiten erfolgreich fahren.“
Heißabüllung: Neue Entwicklungen machen Kaltaseptik Konkurrenz
Kaltaseptik ist die Königsdisziplin unter den Abfüllmethoden, doch Fortschritte in konkurrierenden Verfahren bieten sich zunehmend als Alternative an. Rüdiger Löhl (E-proPlast GmbH) führte dies auf der Fresenius-Fachtagung am Beispiel der „PET-panelless“-Heißabfüllung auf. Die klassische PET-Heißabfüllung hat im Vergleich zur kaltaseptischen Abfüllung den Nachteil eines höheren Flaschengewichts; außerdem gibt es Probleme bei der Etikettierung durch die Paneelstruktur der Flasche. Löhl stellte eine Streckblas-Technik vor, mit der für die Heißabfüllung mittels thermischer Kristallisation in der Blasform glatte, vergleichsweise leichte PET-Flaschen hergestellt werden können. Diese sind mit einem Gewicht von 40 Gramm pro Literflasche immer noch etwas schwerer als bei der Kaltaseptik, wo die Literflaschen zwischen 34 und 38 Gramm wiegen. Letztere benötigen aber aufgrund geringerer Wandstärken weitere Barrierestoffe: „PET Hotfill bewirkt bei gleicher Wandstärke eine rund 15-prozentige Verbesserung der Sauerstoffbarriere im Vergleich zu kalt abgefüllten PET-Flaschen“, erklärte Löhl. Etwas mehr als eine halbe Million Euro betragen die Investitionskosten, wenn eine Glas-Abfüll-Linie auf PET-Heißabfüllung konvertiert wird – dagegen betragen laut Löhl die Gesamtinvestitionen für eine aseptische Füllanlage acht Millionen Euro. Je nach Zusammensetzung der PET-Flaschen und je nach Entfernung der Hotfill-Produktion zur Abfüllanlage liegen die Break-Even-Punkte zwischen 20 Millionen und 50 Millionen Füllungen pro Jahr (Füllmenge ein Liter), so die Berechnungen Löhls. Erst über diese Produktionsmengen hinaus arbeite eine kaltaseptische Anlage günstiger.
Quelle: Dortmund, Mainz [ Akademie Fresenius ]