Studie: Mehr Insolvenzen durch Finanz- und Wirtschaftskrise

Insolvenzverwalter erwarten massive Zunahme der Unternehmensinsolvenzen mit neuen Rekordwerten spätestens 2010. Die Experten fordern weit reichende Reformen, um mehr Unternehmen retten zu können.

Die Insolvenzverwalter in Deutschland rechnen spätestens in 2010 mit einem neuen Insolvenzrekord. Hauptgrund sind die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Unternehmen in Deutschland. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG zusammen mit dem Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim (ZIS) über die Ursachen von Insolvenzen in der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Dabei sind es vor allem die weg brechenden Aufträge, die den Unternehmen zu schaffen machen sowie Dominoeffekte durch Insolvenzen von Auftraggebern oder Lieferanten. Auch sind Unternehmen, die über Private-Equity Eigner verfügen, besonders gefährdet. Eine wichtige Rolle spielt außerdem die restriktive Kreditvergabe der Banken. In der jetzt vorgelegten Studie wurden im März und April 2009 namhafte Insolvenzverwalter Deutschlands befragt, die aktuell insgesamt rund 21.000 Fälle von Unternehmensinsolvenzen  bearbeiten. Die Insolvenzverwalter schätzen, dass 34 Prozent der Insolvenzanträge durch die weltweite Rezession ausgelöst wurden. Das Besondere an der jetzigen Krise und Grund für die erwartete massive Zunahme sind nach Meinung von 94 Prozent der Insolvenzverwalter die Auftragseinbrüche. So berichten die Insolvenzverwalter aus Ihrer Praxis, dass davon betroffene kleinere Mittelständler einen durchschnittlichen Rückgang von über 50 Prozent zu verzeichnen hatten. An nächster Stelle kommen mit 73 Prozent der Nennungen die Stornierung oder Verschiebung von Aufträgen sowie mit 68 Prozent Folgeinsolvenzen. Es folgen die Krisenanfälligkeit von Private-Equity finanzierten Unternehmen (64 Prozent) und die restriktive Kreditvergabe der Banken mit 62 Prozent.

Höchstmarke von 2003 wird überschritten

Fast zwei Drittel der Befragten glaubt, die bisherige Höchstmarke von 39.000 Firmenpleiten aus dem Jahr 2003 werde überschritten. Den Höhepunkt der kommenden Insolvenzwelle erwartet die Hälfte noch 2009, die andere Hälfte im nächsten Jahr. "Die Studie zeigt, mit welcher Wucht sich die Finanzkrise auf die Unternehmen auswirkt und wie besonders kleine Mittelständler zu kämpfen haben. Inzwischen hat die Krise die Wirtschaft fest im Griff", sagt Dr. Gerd-Uwe Baden, Vorstandvorsitzender der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG.

Managementfehler als Insolvenzursachen weiterhin vorn Auch in der aktuellen Studie zeigt sich, dass Managementfehler wie ein unzureichendes Debitorenmanagement bei den Insolvenzursachen weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Allerdings kommt es in der aktuelle Krise zu einer anderen Gewichtung: waren es in Nicht-Krisenzeiten eher rein betriebswirtschaftliche Faktoren wie fehlendes Controlling  die bemängelt wurden, sind es jetzt eher strategische Aspekte, die aus Sicht der Insolvenzverwalter massiv vernachlässigt werden. So fehlt es nach Einschätzung der Experten den Unternehmen an Rücklagen für unerwartete Ereignisse und einer Person, die sich ausschließlich mit strategischen Aufgaben befasst. Auch das zu starre Festhalten an alten Konzepten wird bemängelt.

Kreditzurückhaltung bei Banken

Die restriktive Kreditvergabe der Banken wird von einigen Verwaltern ebenfalls kritisiert. So sagen 39 Prozent der Befragten, die mangelnde Bereitschaft der Kreditinstitute zu weiteren Kreditvergabe sei "die zentrale Ursache" für die Insolvenz von kleinen Mittelständlern gewesen, die sie betreuen. Grundsätzlich zeigt sich, dass Unternehmen gegenwärtig erhebliche Probleme mit der Finanzierung durch Banken haben. 79 Prozent der Insolvenzverwalter sagen, es falle ihnen derzeit besonders auf, dass Banken trotz langjähriger, ungestörter Geschäftsbeziehung beantragte Kredite verweigern. Banken trauten sich nicht, Finanzierungen zu übernehmen, und zögen sich schon bei Hinweisen auf Schwierigkeiten im Geschäft zurück. "Die Kreditverweigerung trotz guter unternehmerischer Projekte verschärft die ohnehin angespannte wirtschaftliche Lage in Deutschland", so Prof.

Dr. Georg Bitter vom Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim (ZIS). Das ist auch deshalb nachteilig, weil andere Möglichkeiten der Finanzierung ebenfalls eingeschränkt sind. So berichten 87 Prozent der befragten Verwalter, dass es gegenwärtig schwieriger sei als vor drei Jahren, einen Finanzinvestor für insolvente Unternehmen zu finden.

Verwalter fordern Reformen

Trotz der gegenwärtig erschwerten Bedingungen sagen noch zwölf Prozent der befragten Insolvenzverwalter, ihre Bereitschaft zur Fortführung oder Sanierung eines insolventen Unternehmens sei gestiegen, 84 Prozent erklären, sie sei gleich geblieben. Um das leichter erreichen zu können, machen sie konkrete Vorschläge für Änderungen des Insolvenzrechts. Die Experten fordern unter anderem, das Insolvenzgeld länger zu zahlen und den Paragraphen 613a BGB für drei Jahre auszusetzen. Dort ist geregelt, dass der Unternehmenskäufer alle Arbeitsverhältnisse übernimmt. Eine weitere Forderung von mehr als der Hälfte der Verwalter (56 Prozent) ist die Einrichtung eines speziellen Rettungsfonds für die Wirtschaftskrise. Über ihn könnten die Insolvenzverwalter - wie das Beispiel Sachsen zeigt, wo es einen solchen Fonds bereits gibt - Darlehen für die Fortführung und Sanierung beantragen.

Die Euler Hermes Gruppe

Weitere Informationen zur Studie unter http://aktuell.eulerhermes.de/

Die Euler Hermes Gruppe ist Weltmarktführer im Kreditversicherungsgeschäft und eine der führenden Gesellschaften in den Bereichen Inkasso und Kautionsversicherung. Mit 6.200 Mitarbeitern in über 50 Ländern bietet Euler Hermes ein komplettes Spektrum an Dienstleistungen für das Forderungsmanagement an. Der Umsatz 2008 betrug 2,2 Mrd. Euro. Die Euler Hermes Gruppe analysiert die Bonität von über 40 Millionen Unternehmen und versichert Transaktionen im Wert von 800 Mrd. Euro weltweit. Euler Hermes, Tochtergesellschaft der AGF und Mitglied der Allianz, ist an Euronext Paris notiert. Die Gruppe und ihre wichtigsten Tochtergesellschaften im Bereich Kreditversicherung erhielten von Standard & Poor's das Rating AA-.

www.eulerhermes.com

Das Zentrum für Insolvenz und Sanierung an der Universität Mannheim

(ZIS) dient der wissenschaftlichen Forschung sowie der Aus- und Weiterbildung im Bereich des Insolvenz- und Sanierungsrechts einschließlich der betriebs- und volkswirtschaftlichen Grundlagen. Professoren der Universität Mannheim entwickeln gemeinsam mit Praktikern wie Insolvenzverwaltern, Vertretern aus Banken und Industrieunternehmen sowie Richtern des Bundesgerichtshofs Konzepte zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für insolvente Unternehmen. Die Zielsetzung ist: Sanierung statt Zerschlagung, also der Erhalt von Werten und Arbeitsplätzen statt Vermögensvernichtung im Insolvenzverfahren.

Quelle: Mannheim [ ZIS ]

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