Putenhalter ergreifen Initiative und überarbeiten "Eckwerte"
Tierschutz, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik an einem Tisch
Die deutschen Putenhalter nehmen ihre Verpflichtung für das Tierwohl ernst. Aus diesem Grund hat der Verband Deutscher Putenerzeuger (VDP) unter dem Dach des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) aus eigener Initiative eine Überarbeitung der sogenannten "Bundeseinheitlichen Eckwerte" angestoßen, die als Regelwerk für die Putenhaltung eine freiwillige, für die Branche allerdings bindende Vereinbarung darstellen. Zu den Beratungen hat der VDP nicht allein Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft an einen Tisch geholt, sondern insbesondere auch Vertreter von Tierschutzorganisationen: "Uns ist wichtig, mit allen relevanten gesellschaftlichen Institutionen gemeinsam und konstruktiv an einer kontinuierlichen Weiterentwicklung sämtlicher Aspekte der deutschen Putenwirtschaft zu arbeiten", betont VDP-Vorsitzender und ZDG-Vizepräsident Thomas Storck. Nach dem Auftakt der Beratungen im März 2011 widmen sich aktuell rund 30 Experten in Unterarbeitsgruppen den Themen Haltungsbedingungen, Tiergesundheit und Tierbetreuung. Zum Abschluss kommen sollen die Beratungen mit einem neuen Regelwerk voraussichtlich Mitte 2012.
Den Tierschutz als aktiven Partner mit ins Boot zu holen, sei den Putenerzeugern ein besonders wichtiges Anliegen gewesen, betont Storck: Schon die ursprüngliche Fassung der Eckwerte aus dem Jahr 1999 war von Vertretern der Tierschutzorganisationen ebenso mit begleitet worden wie die nachfolgenden Beratungen in den Jahren 2004/2005. "Tierschutz-Experten sind seit mehr als einem Jahrzehnt wichtige Gesprächspartner für die deutsche Putenwirtschaft", hebt der VDP-Vorsitzende hervor. Zugleich verhehlt Storck jedoch nicht, dass die zum Teil drastischen Forderungen der Tierschutzorganisationen deutliche Kraftanstrengungen von der Branche verlangen: "Das stellt eine Herausforderung dar, vor allem aber sind wir froh über den gemeinsamen Willen zu einer Lösung."
In dem aktuellen Beratungsprozess werden sämtliche Aspekte der Putenhaltung aufgrund neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und praktischer Erfahrungen untersucht. So spielen in der Unterarbeitsgruppe "Haltungsbedingungen" Parameter wie Licht, Stallklima, Einstreu, Futter, Wasser, Stallstrukturierung und Besatzdichte eine Rolle. Kannibalismus und Federpicken, Schnabelbehandlung und Medikamenteneinsatz werden in der Unterarbeitsgruppe "Tiergesundheit/Fitness/Verhalten" detailliert beleuchtet, ebenso Mortalität, Fütterung, Rückmeldung aus Schlachtbetrieben und Lokomotion. Und die Mitglieder der dritten Unterarbeitsgruppe "Tierbetreuung/Kontrolle" befassen sich unter anderem mit Sachkunde, Umgang mit kranken Tieren und Dokumentation. Seit ihrer Etablierung im Jahr 1999 haben die Bundeseinheitlichen Eckwerte rechtsähnlichen Charakter erlangt und zu einer bundesweiten Anhebung des Tierschutzniveaus in der Putenhaltung wesentlich beigetragen. Die freiwillige Selbstverpflichtung der Branche auf ein Regelwerk zur Putenhaltung ist in dieser Detailgenauigkeit in Europa einzigartig und füllt ein bis dato existierendes rechtliches Vakuum:
Europaweit einheitliche rechtsverbindliche Vorgaben an die Putenhaltung fehlen bis heute. "Wir unterstützen ausdrücklich Forderungen nach einer Schaffung von EU-weiten Regelungen im Rahmen der europäischen Tierschutzpolitik", sagt Thomas Storck, der in den Eckwerten durchaus Vorbildfunktion für eine europaweite Regelung im Sinne einer "EU-Putenhaltungsrichtlinie" erkennt: "Die deutschen Eckwerte für die Hähnchenhaltung waren Vorbild für die „EU-Hähnchenhaltungsrichtlinie“ - gerne nehmen auch wir Putenhalter eine Vorreiterfunktion ein."
Quelle: Berlin [ ZDG ]