Fleisch zwischen Genuss und Risiko
39. Kulmbacher Woche der Bundesforschungsanstalt für Ernährung
Vom 4. bis 5. Mai 2004 fand im Hause der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BFEL), Standort Kulmbach, die 39. Kulmbacher Woche statt. Mit 250 Teilnehmern aus 7 Ländern waren die räumlichen Kapazitäten der Veranstalter ausgereizt. 11 Fachvorträge zu allgemeinen Themen der Fleischforschung und der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis zum Thema "Teewurst - Ein Risikoprodukt?" zeigten die Spannbreite der Forschungsarbeit der Kulmbacher Forschungsanstalt.
In seiner Eröffnungsansprache hob der kommissarische Leiter der Bundesforschungsanstalt für Lebensmittel (BFEL) Ministerialdirigent Fritz Johannes die Vielfalt und Aktualität der diesjährigen Kulmbacher Woche hervor. "Besonders aber freue ich mich über die eindrucksvolle regionale Unterstützung, speziell auch durch die Ernährungswirtschaft, die unsere Institution am Standort Kulmbach erhält", ergänzte er mit Blick auf die rege Präsenz der örtlichen Mandatsträger. Bereits der erste Vortrag machte deutlich, wie sehr der Wert der Bundesforschung in ihrer Kontinuität begründet liegt: Dr. Milan Ristic berichtete über 30 Jahre Qualitätsforschung an Geflügelfleisch und Eiern. Ein geradezu unglaublicher Wandel in der genetischen Leistungsfähigkeit der Tiere und in den Mastmethoden hat diese lange Epoche geprägt. "Das größte Verdienst ist aber, dass wir die Qualität des Geflügelfleisches haben halten können", fasste der Wissenschaftler zusammen. Gleichsam als Kontrast dazu lenkte Dr. Wolfgang Branscheid im folgenden Vortrag den Blick auf Risikoaspekte der Fleischerzeugung. Aus einer Expertenbefragung in Kooperation mit der Universität Göttingen ergab sich eine Einschätzung, wie sich die Risiken im Fleischbereich in Zukunft entwickeln könnten. Danach wird vieles immer besser beherrschbar, weil der technische Fortschritt greift. Trotzdem bleiben langfristig öffentliche Diskussionen unausweichlich, die Bereiche wie die Gentechnik, die Zuchtmethoden, aber auch die Herausforderungen an die Hygiene im Rahmen der Globalisierung und die zunehmend auftretenden neuen Erreger von Tierkrankheiten betreffen. Gesundheit ganz anders betrachtete Dr. Karl-Otto Honikel, nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben für Fleisch und Fleischerzeugnisse waren sein Thema. Was da auf dem Etikett zu finden ist, das geht den Verbraucher an, die EU sieht Regelungsbedarf. Absehbar ist schon jetzt, dass gesundheitsbezogene Angaben schwer zu realisieren sein werden. "Nutzen Sie deshalb die Chance, die Nährwertvorteile Ihrer Produkte hervorzuheben", ermunterte Honikel die Fleischverarbeiter. Von Energie reduziert über fettarm bis reich an Eiweiß, Vitaminen und Mineralstoffen sind viele Angaben möglich.
Ein folgender Themenkomplex befasste sich mit aktuellen Fragen der Schweinefleischqualität. Dabei wird manch einen die Neuauflage des blassen, weichen und wässrigen PSE-Fleisches gewundert haben. "Trotz genetischer Stress-Sanierung kommt dieser Fleischfehler durch die Hintertür wieder herein", warnte Dr. Monika Altmann von der Universität Halle. Entscheidend hierfür ist die starke Bemuskelung der Tiere zumal in Kopplung mit einem hohen Schlachtgewicht. Über 15 % solcher Tiere geben Anlass zur Mängelrüge. Wer über die Schweinefleischqualität nachdenkt, der kommt schnell auf den intramuskulären Fettgehalt. Er steht für Saftigkeit und Zartheit des Fleisches, gleichzeitig aber auch für ein großes methodisches Problem: Eine in der Praxis einsetzbare Methode zur Schnellbestimmung fehlt bisher. "Ultraschall-Echos sagen mehr", konstatierte Dr. Daniel Mörlein von der Univ. Halle, und meinte damit: Die in der Medizintechnik eingesetzten Ultraschallgeräte lassen Auswertungen, ähnlich wie an Lichtspektren, zu, die zuverlässige Rückschlüsse auf den intramuskulären Fettgehalt des beschallten Teilstückes geben. Die jetzt für die Zuchtwertschätzung schon fast Einsatz reife Methode könnte auch im Schlachtbetrieb Zukunft haben. Eine alte, aber nie vollständig aufgeklärte Frage der Schweinefleischqualität griff Dr. Klaus Fischer auf: "Ältere Schweine schmecken besser …tun sie das wirklich?", war seine Frage. Und die Antwort: Sie tun es tatsächlich, aber der Unterschied ist so gering, dass er das Geld nicht wert ist.
Höhere Mehrwerte lassen sich dagegen mit Verarbeitungsprodukten erzielen. Dr. Wolf-Dietrich Müller demonstrierte erstmals spezielle Möglichkeiten in der Verarbeitung von heimischem Rot- und Damwildfleisch. Rohpökelware, mit Sonnenblumenöl angereicherte Brühwürste und Pflanzenfett statt Schweinespeck in der Wildrohwurst sind neue Produktideen, die für gesunde und schmackhafte Ernährung stehen. Dass zur Verarbeitung auch die Konservierung gehört, machte Dr. Peter Nitsch dem Auditorium deutlich. Seine Sensormessungen zur Kontrolle der keimtötenden Wirkungen bei der Herstellung von Konserven werden weitere Sicherheit in der Produktverarbeitung geben können.
Der abschließende Themenkomplex kehrte noch einmal zur Lebensmittelsicherheit zurück. Selbst die vormals anders gedachte Tierartbestimmung in Fleischerzeugnissen gehört heute in diesen Bereich. Der Lebensmittelchemiker Ronaldo Binke konnte zeigen, dass trotz großer methodischer Probleme der Tierartnachweis eine ausreichende Quantifizierung der Kontaminationen mit einer weniger gewünschten Tierart gegenüber den Wert bestimmenden Anteilen zulässt.
Eine ganz andere Dimension der Risiken ergibt sich aber bei den Kontaminanten, die Gegenstand der beiden letzten Vorträge waren. Dr. Wolfgang Jira befaßte sich mit den "Polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen" (PAK), die bei der Verbrennung jeder organischen Substanz und eben auch beim Räuchern entstehen. Mit den meisten dieser Substanzen scheint der Körper gut zu Recht zu kommen. Dennoch gibt die EU seit 2003 Grenzwerte für Höchstgehalte der PAK in Raucharomen vor. Bemerkenswert aber, dass auch schon vorher der Gehalt dieser Kohlenwasserstoffe in Fleischerzeugnissen durch Maßnahmen der Hersteller beachtlich gesunken ist. Den Schlussakkord setzte Dr. Karl-Heinz Schwind mit Ergebnissen zum Eintrag von Dioxin in Futter- und Lebensmitteln. Danach stammt mehr als die Hälfte des in Deutschland aufgenommenen Dioxins aus der Milch, Fleisch und Fleischerzeugnisse tragen lediglich ca. 15 % bei. "Wir wissen trotzdem noch zu wenig", schloss der Kulmbacher Wissenschaftler, "um den Kontaminationsquellen vollständig auf die Spur zu kommen".
Für den Standortkoordinator der Forschungsanstalt in Kulmbach Dr. Karl-Otto Honikel ergab sich zusammenfassend ein zufrieden stellendes Resümee der Fachvorträge. Der Beteiligung einer Reihe von auswärtigen Instituten gab er dabei ein besonderes Schwergewicht. "Die Einbettung in die wissenschaftliche Gemeinschaft, auch weit über die Region hinaus, ist ein starkes Plus für unsre Arbeit", hob er hervor. Und die Basis für die 40. Kulmbacher Woche im nächsten Jahr wäre damit auch geschaffen, bleibt noch zu ergänzen.
Quelle: Kulmbach [ Prof. Dr. Wolfgang Branscheid ]