Schnellbestimmung bei Fleisch: Fortschritte der Elektronik und Digitalisierung

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Dass Elektronik bestens geeignet ist, Messgrößen zu erfassen, ist nicht neu. Neu ist jedoch die immer größere Verfügbarkeit von elektronischen Messgeräten und deren Kombination mit außerordentlich schnellen, zunehmend kompakten und gleichzeitig kostengünstigen Rechnern. Am Lebensmittel Fleisch werden vor allem mit Hilfe der Messung von Video- und Audiosignalen sowie von elektrischen Potentialen Schnellbestimmungen wirtschaftlich entscheidender Merkmale durchgeführt. Die Daten werden digitalisiert erfasst und können daher sofort ausgewertet werden, wenn die entsprechenden Vorarbeiten hierzu geleistet sind. Eine wichtige Voraussetzung ist die zumeist methodisch aufwändige Ermittlung von Schätzformeln, da die meisten Erfassungen sich nur indirekt auf die gesuchten Merkmale selbst beziehen.

Gerade bei biologischen Substraten ist Messen in der Prozesskontrolle besonders wichtig, da biologische  Merkmale eine große Streubreite aufweisen und deshalb die Vorhersage der Merkmalsausprägung mit einer beachtlichen Unsicherheit behaftet ist. Streuungsursachen bei Fleisch tauchen auf allen Organisationsebenen auf, z. B. zwischen Rassen und Geschlechtern ebenso wie zwischen einzelnen Muskeln und sogar Muskelregionen. Merkmale, die bei Fleisch wirtschaftlich von Interesse sind, beziehen sich auf quantitative Merkmale (Teilstückgewicht und -größe, Anteil von Muskel- und Fettgewebe), zunehmend aber auch auf qualitative Merkmale wie den Genusswert und die küchentechnische Zubereitung. An diesen sind vor allem die Verbraucher interessiert, da sie nur aus der Qualität des tafelfertigen Lebensmittels Nutzen ziehen.

Die Messung des pH-Wertes, also des Säuregrades, ist ein geradezu historisches Beispiel für den Übergang von komplexen Labormethoden zu onlinefähigen Anwendungen. Da der pH-Wert eng mit Qualitätsmerkmalen des Fleisches in Beziehung steht, ist dessen Messung seit über 50 Jahren eine der wichtigsten Bestimmungen an Frischfleisch. In eigenen Untersuchungen wurde bestätigt, dass der pH-Wert von Rind- und Schweinefleisch mit Hilfe der Nah-Infrarot-Spektroskopie (NIRS) erfassbar ist. Diese Methode hat den Vorteil, dass mit einer Messung eine ganze Reihe von Kriterien erfasst werden kann. Die Messung des intramuskulären Fettgehaltes und des Proteingehaltes ist bereits sichere Routine. Ein besonders beachtetes Qualitätskriterium betrifft die frühzeitige (48 Std. nach der Schlachtung) Vorhersage der Zartheit, die Rindfleisch am Ende der Reifung (14 Tage) ausprägt. Erste Versuche mit NIRS zeigen, dass auch dies zukünftig möglich sein könnte.

Ultraschallmessungen dienen seit etwa 15 Jahren zur Bestimmung des Muskelfleischanteils bei Schweineschlachtkörpern. Die Ultraschalltechnik, eigentlich eher zur Schwerfälligkeit neigend, wurde auf Basis eines dänischen Klassifizierungsgerätes so weiterentwickelt, dass 600 Schlachtkörper in der Stunde mit großer Zuverlässigkeit ausgewertet werden können. Diese Methode erlaubt zusätzlich auch die Ermittlung des Gewichtes der Teilstücke, also etwa Schinken, Kotelett oder Schulter. Die hierfür erforderlichen Schätzungen nutzen über 100 verschiedene Variablen  (überwiegend Streckenmessungen am Schlachtkörper) und werden mit komplexen statistisch-mathematischen Verfahren berechnet. Die neuesten Untersuchungen richten sich nun auf die Integration der Röntgen-Computertomographie in die Methoden der Schlachtkörperbewertung. Bisher wird beispielsweise der Muskelfleischanteil von Schweineschlachtkörpern, wenn man es in Referenzuntersuchungen genau wissen musste, durch handwerkliche Zerlegung ermittelt. Hierfür sind 8 Arbeitsstunden eines Technikers erforderlich. Im Computertomographen werden nur 15 Minuten benötigt, zudem hat die "elektronische Zerlegung" einen geringeren Fehler und ist standardisierbarer als die handwerkliche. Dies ist in den immer wieder erforderlichen internationalen Vergleichsuntersuchungen der EU besonders vorteilhaft. Ähnlich wie beim Ultraschall ist denkbar, dass auch diese Methode, die hierfür heute noch viel zu aufwändig erscheint, in einigen Jahren Zugang zur praktischen Anwendung bekommt. 

Die Elektronisierung und ihre Umsetzung in der Digitalisierung haben es möglich gemacht, in Sekundenschnelle Daten zu erfassen und mit deren Hilfe Folgeberechnungen durchzuführen, die vor 20 Jahren selbst in wissenschaftlichen Instituten kaum denkbar waren. Heute kommen bei Fleisch Schätzfunktionen zum Einsatz, die die Information von 600 und mehr Variablen ausnutzen. Der entscheidende Gewinn liegt darin, dass immer früher und mit immer größerer Zuverlässigkeit Informationen gewonnen werden, die zu besserer Standardisierung des Endproduktes führen. Bisher liegen aber die Vorteile eher auf der Seite der Vermarkter; eine wichtige Zukunftsaufgabe der Wissenschaft wird es sein, die Seite des Verbrauchers stärker in den Vordergrund zu bringen.

Quelle: Kulmbach [ Wolfgang Branscheid, BFEL Kulmbach ]

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