Funktionelle Fleischerzeugnisse: Ein Beitrag zur gesunden Ernährung?

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Funktionelle Lebensmittel haben in den Sektoren Cerealien/Backwaren, Milchprodukte und Getränke eine erhebliche Bedeutung erlangt. Dagegen ist der Bereich Fleisch- und Wurstwaren im Hinblick auf funktionelle Lebensmittel unterentwickelt. Um veränderten Lebens- und Ernährungsbedürfnissen besser gerecht zu werden, könnten dem Verbraucher künftig auch modifizierte Fleischerzeugnisse mit einem gesundheitlichen Zusatznutzen (= funktionelle Fleischerzeugnisse) angeboten werden. Als Zielgruppen für derartige Erzeugnisse gelten generell alle Altersgruppen beiderlei Geschlechts. Insbesondere könnten die Gruppen spezielle Aufmerksamkeit finden, die viel Fleisch und Wurst, aber relativ wenig Obst und Gemüse verzehren ("Obst-Gemüse-Vermeider"). Auch Senioren und übergewichtige Kinder kämen als besondere Zielgruppen in Frage.

Bei der Entwicklung von funktionellen Fleischerzeugnissen bieten sich verschiedene Möglichkeiten. Als negativ diskutierte Inhaltsstoffe (Fett, Cholesterin) können entfernt oder im Gehalt verringert werden. Die Energiedichte kann durch den Ersatz von Fett und Fleisch durch Ballaststoffe vermindert werden. Neue Komponenten, von denen  positive gesundheitliche Effekte erwartet werden, wie Probiotika, Präbiotika oder so genannte sekundäre Pflanzenstoffe können zugesetzt werden. Dabei sollten Geschmack sowie Mundgefühl und Textur nicht leiden.

Unter Probiotika versteht man definierte lebende Mikroorganismen, die in ausreichender Menge in den Darm gelangen und dort positive gesundheitliche Wirkungen durch Immunstimulation, eine Stabilisierung der Darmwand (Barriereeffekt für pathogene Mikroorganismen) sowie die Bildung antibakterieller Substanzen entfalten. Eigene Untersuchungen haben bestätigt, dass bestimmte probiotische Kulturen aus dem Handel bei der Herstellung schnittfester Rohwurst (Salami) ohne technologische oder sensorische Nachteile eingesetzt werden können und im Fertigprodukt in akzeptabler Keimzahl überleben. Unter Präbiotika versteht man Ballaststoffe, die das Wachstum von gesundheitsfördernden, protektiven Bakterien im Darm fördern sollen. Die wichtigste Substanz dieser Gruppe ist das Inulin. Inulin ist ein aus Fructoseeinheiten aufgebautes, durch humane Enzyme nicht verdauliches Kohlenhydrat, das aus der Chicoree-Wurzel gewonnen wird. Das weiße, geschmacksneutrale Pulver lässt sich nach Rehydratisierung, wie eigene Versuche gezeigt haben, als Fettersatz relativ problemlos in Brüh- und Kochwurst verarbeiten. Ein Zusatz von rehydratisiertem Inulin bis 20 % (= 50 g Inulin/kg) in feiner Leberwurst zeigte keine technologischen Nachteile und machte sich sensorisch sogar positiv bemerkbar (sahnigere Konsistenz). Schließlich können auch unlösliche Ballaststoffe, wie Weizen- oder Haferfasern, in Fleischerzeugnissen verarbeitet werden. Im Gegensatz zu Präbiotika werden diese Fasern bakteriell praktisch nicht fermentiert. In eigenen Untersuchungen konnten Weizenfasern, 1 : 1 mit Wasser rehydratisiert, mit bis zu 3 % als  Fleischersatz ohne technologische Nachteile in schnittfester Rohwurst eingesetzt werden. Die entsprechenden Versuchschargen zeigten beim Geschmack keinen Unterschied zur Kontrollcharge; das Aussehen war etwas heller und die Konsistenz etwas fester.

Unter sekundären Pflanzenstoffen versteht man biologisch aktive Pflanzeninhaltsstoffe. Die positive Wirkung auf die Gesundheit wird überwiegend auf das antioxidative Potential dieser Stoffgruppe zurückgeführt. Antioxidantien schützen vor freien Radikalen. Als Hauptgruppen sind zu nennen die Carotinoide (in den meisten Obst- und Gemüsesorten), Saponine (in Hülsenfrüchten, Spinat u.a.), Phytosterine (in  Saaten, Nüssen, nativem Sojaöl u.a.) Glucosinolate (in Senf, Meerrettich, Kohlarten u.a.), Flavonoide (in Grünkohl, Zwiebeln, Brokkoli, Äpfeln u.a.), Phenolsäuren (in Kaffee, Vollkorn, Kartoffeln u.a.), Phytoöstrogene (in Leinsamen, Sojabohnen u.a.), Monoterpene (in ätherischen Ölen u.a.) sowie die Sulfide (in Knoblauch, Zwiebeln u.a.). Als gesundheitliche Effekte sind antikanzerogene, antioxidative, immunmodulatorische, Cholesterol senkende, antibiotische und antithrombotische Wirkungen beschrieben. Beim Zusatz von einigen sekundären Pflanzenstoffen zu Fleischerzeugnissen kann neben der gesundheitlichen Aufwertung auch ein färbender Effekt erreicht werden. So liegen die Farben der meisten Carotinoide im Bereich Gelb, Orange und Rot. Wie eigene Untersuchungen zeigten, konnte bereits mit einem Zusatz von 0,025 % des stark antioxidativ wirkenden Farbpigments Lykopin aus der Familie der Carotinoide ein intensiv roter Farbton bei Brühwurst erreicht werden. Lykopin, das natürlich vor allem in Tomaten vorkommt, schützt die Zelle vor oxidativen Schäden, soll Krebs und kardiovaskulären Erkrankungen vorbeugen und das Immunsystem älterer Menschen stärken.

Bei einer Diskussion des möglichen gesundheitlichen Nutzens von funktionellen  Fleischerzeugnissen müssen verschiedene Aspekte Berücksichtigung finden. Eine Verringerung der Energiedichte infolge des Ersatzes von Fett und Fleisch durch Ballaststoffe käme den heutigen Vorstellungen über eine gesundheits- und kalorienbewusste Ernährung entgegen. Was den Zusatz von Komponenten mit gesundheitlicher Wirkung anbelangt, so sind im Hinblick auf einen möglichen gesundheitlichen Effekt neben der zugesetzten Wirkstoffmenge auch das Verhalten der Stoffe in der Fleischerzeugnis-Matrix unter technologischen Gesichtspunkten sowie die Bioverfügbarkeit entscheidend. Der gesundheitliche (Zusatz-) Nutzen muss für jedes einzelne Produkt durch Interventionsstudien am Menschen geprüft werden. Für funktionelle Fleischerzeugnisse liegen derartige Untersuchungsergebnisse bisher kaum vor. 

Quelle: Kulmbach [ Klaus Troeger, Peter Nitsch, Wolf-Dietrich Müller u. Siegfried Münch ]

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