Nahrungsmittelallergene - molekulare Strukturen und neue Therapien
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Nahrungsmittelallergien sind ein zunehmendes Problem besonders in der westlichen Welt und gehören zu den häufigsten chronischen Krankheiten. In Großbritannien werden knapp 10 % aller Besuche bei praktischen Ärzten durch Allergiefälle verursacht, die direkten Gesundheitskosten belaufen sich dort auf deutlich über eine Milliarde € pro Jahr, in den USA auf etwa 5 Milliarden € pro Jahr. Die Industrie der USA verliert jährlich durch Allergien 3.5 Millionen Arbeitstage im Gegenwert von etwa 500 Millionen €. Statistiken aus Deutschland wären vermutlich ähnlich.Lebensmittelallergien sind in den meisten Fällen Reaktionen auf Proteine. Diese Proteine gehören aber nicht einer einheitlichen Klasse an, die sich beispielsweise durch ihre räumliche Struktur von anderen abhebt. Es gibt vielmehr kein einheitliches Bild der Verursacher von Allergien. Besonders relevant für das Krankheitsbild sind Proteine aus der Pr10-Familie und der Familie der 2S-Albumine (Speicherproteine). Aus ersterer stammen die Hauptallergene der Kirsche, der Karotte, vieler Gewürze, aber auch der Birkenpollen, so dass Birkenpollenallergiker sehr häufig (> 90 %) auch gegen Kirschen allergisch sind ("Kreuzallergien"). Aus der Beobachtung, dass Allergien oft gegen eine ganze Gruppe von Pflanzen existieren, leiten sich Begriffe wie Sellerie-Karotten-Beifuß-Gewürz-Syndrom oder Birkenpollen-Nuss-Obst-Syndrom ab. Aus der Familie der 2S-Albumine stammt um Beispiel das Hauptallergen der Erdnuss, das jährlich allein in den USA über 100 Todesfälle verursacht und bereits in geringsten Mengen lethal wirken kann.
Wir konnten in den vergangenen Jahren am Beispiel der Kreuzallergien zwischen Kirschen, Soja und Birkenpollen zeigen, was die Ursachen dieses Phänomens sind: Sie liegen in der räumlichen Struktur der allergenen Proteine begründet. Je ähnlicher die räumlichen Strukturen, desto ausgeprägter die Kreuzallergien. Ebenso konnten wir die räumliche Struktur des Hauptallergens sowie die eines damit eng verwandten Nebenallergens der Erdnuss aufklären.
Die räumlichen Strukturen der Allergene dienen aber nicht nur dem Verständnis der Ursachen der Allergien, sondern bilden auch die Grundlage neuer Therapien: Bisher sind in den meisten Fällen von Allergien Vermeidungsstrategien ("Allergenkarenz") das beste Rezept. Vermeidungsstrategien sind allerdings praktisch nur sehr schlecht durchführbar. So sind Erdnussprodukte in vielen verarbeiteten Lebensmitteln vorhanden, ebenso Gewürze. Eine Behandlung der Symptome etwa durch Antihistaminika (Nasensprays, Augentropfen) ist nur wenig befriedigend. Die so genannte spezifische Immuntherapie oder Hyposensibilisierung ist die bisher einzige Therapieform, die an den Ursachen ansetzt - allerdings ist ihre Wirkungsweise noch nicht im Detail verstanden. Bei der Hyposensibilisierung wird der Körper an die Allergene, auf die er überreagiert, langsam gewöhnt. Dazu werden die Allergene in niedrigen Konzentrationen unter die Haut gespritzt, Erfolge lassen oft Jahre auf sich warten. Mithilfe der räumlichen Allergenstrukturen kann nun ein neuer therapeutischer Ansatz gesucht werden, der von der nun gezielt möglichen gentechnischen Veränderung der Allergene ausgeht und - als Fernziel - in eine Art "Impfung" münden kann. Ebenso könnten die räumlichen Strukturen der Allergene die Grundlage dafür darstellen, die Allergene soweit zu verändern, dass ihre für die Pflanze notwendige Funktion nicht beeinträchtigt wird, ihr allergenes Potential allerdings verloren geht - das Resultat könnten allergenfreie Pflanze und allergenfreie Lebensmittel sein.
Quelle: Kulmbach [ Paul Rösch, Universität Bayreuth ]