Mehr Leistung durch mehr Tragekomfort
Was moderne Sportkleidung zum Funktionstextil macht
Jeder fünfte Deutsche treibt regelmäßig Sport - im Trend liegen dabei insbesondere Nordic Walking und Blading. Aber auch bei klassischen Bewegungsarten wie Fußball, Joggen und Radfahren fließt der Schweiß der Freizeitsportler vor allem in den Sommermonaten wieder in Strömen. Bei einem intensiven Training muss die Kleidung des Sportlers so innerhalb einer Stunde rund 1,5 bis 2,5 Liter Feuchtigkeit transportieren.
Bei der optimalen Unterstützung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des Trägers spielt der physiologische Tragekomfort, d. h. Atmktivität, Feuchte- und Wärmemanagement der Textilien, eine entscheidende Rolle. Ein schneller Abtransports des flüssigen Schweißes und die Erzeugung eines trockenen Mikroklimas auf der Haut unterstützen den Körper bei der Thermoregulation und beugen dem als unangenehm empfundenen und gesundheitsgefährdendem Auskühlen und Frösteln nach körperlicher Aktivität (Post-exercise-chill) vor. Zudem erzeugen auf der nassen Haut klebende Textilien negative Berührungsreize und schweißfeuchte Haut wird unnötig gereizt. Körperwärme, die schnell durch Ventilationsöffnungen abgeleitet werden kann, hilft Hitzestress vermeiden und damit ebenfalls die Leistungsfähigkeit des Trägers steigern.
Sportkleidung aus Baumwolle, wie sie früher selbst im Spitzensport gang und gäbe war, weist beim Wärme- und Feuchtemanagement klare Defizite auf. Schweiß wird zwar gut aufgenommen, verbleibt aber in Körpernähe - mit den o. g. negativen Effekten. Bereits seit den 1970er Jahren beschäftigt man sich am internationalen Textilforschungszentrum Hohensteiner Institute deshalb intensiv mit der Optimierung des Tragekomforts von Sportkleidung. Sehr früh setzen Prof. Dr. Karl-Heinz Umbach und sein Team dabei auf die Kombination verschiedener Materialien und deren jeweiligen Eigenschaften. 1980 wird die österreichische Damenmannschaft für die Winterolympiade in Lake Placid mit der weltweit ersten zweischichtigen Unterwäsche ausgestattet, die zusammen mit den Hohensteiner Wissenschaftlern entwickelt worden war.
Die auf der Haut aufliegenden Chemiefasern des "Double-Face Materials" leiten den Schweiß schnell und effektiv vom Körper weg in die außen liegende Baumwolle. In Kombination bieten die beiden Materialien durch das trockenere Gefühl am Körper einen deutlich besseren Tragekomfort als Baumwollwäsche. Nach der positiven Resonanz der Olympionikinnen erfolgt die Markteinführung von zweischichtiger Unterwäsche aus "Transtex" auch für Freizeitsportler. Der durchschlagende Erfolg am Markt bringt Anfang der 1980er Jahre den Siegeszug der Funktionstextilien in Gang, der bis heute anhält und zu einer immer stärkeren Differenzierung abhängig vom Einsatzzweck der Materialien sorgt.
Auch an den Hohensteiner Instituten werden ständig neue Materialkombinationen und -Modifikationen auf ihre Vorteile beim Tragekomfort hin überprüft. Statt Baumwolle werden bei Double-Face- Materialien heute u. a. moderne Regeneratfasern als Außenschicht verwendet. Durch eine Modizifizierung der Faserfeinheit und des Faserprofils lässt sich die effektive Faseroberfläche und damit der flüssige Schweißtransport maximieren. Eine stufenweise Veränderung der Faser- und Garnfeinheit von der Textilinnenfläche zur Außenfläche verbessern das Feuchtemanagement zusätzlich, da durch die daraus resultierende Kapillarverengung (Denier-gradient) die Feuchtigkeit besonders effektiv von der Haut weggeleitet werden kann.
Besonders bei wechselhafter Witterung wird die körpernahe Funktionskleidung von Sportlern durch wetterfeste Jacken ergänzt. Natürlich müssen dann auch diese den bei größerer Anstrengung anfallenden Schweiß effektiv vom Körper weg transportieren, d. h. atmungsaktiv sein. Seit ihrer Einführung Ende der 1970er Jahre haben sich Membran-Systeme hierbei am Markt etabliert. Die Membranen können aus unterschiedlichen Hightech-Materialien bestehen: Die Poren von porösem Polytetrafluorethylen (Markenname: Teflon) zum Beispiel sind kleiner als der kleinste Wassertropfen und lassen somit keinen Regen eindringen. Sie sind aber größer als ein einzelnes Wassermolekül, so dass der Schweiß nach außen verdampfen kann. Auch aus speziellem Polyester oder Polyurethan werden Membranen hergestellt, die ebenfalls Wassertropfen nicht nach innen aber Schweißdampf nach außen lassen.
Es gibt zudem verschiedene Arten, Jacken wasserdicht auszurüsten. Eine Möglichkeit ist die so genannte Laminierung, bei der eine Membran mit der Textilschicht verklebt ist. Sind Oberstoff und Membran verklebt, spricht man von Oberstofflaminat. Die Begriffe "Futterliner" oder "Liner" bezeichnen Laminate aus Membran und Innenfutter. Bei einem Drei-Lagen-Laminat sind alle drei Schichten verklebt. Bei Beschichtungen wird eine dünne Kunststoffschicht (meist Polyurethan) im flüssigen Zustand direkt auf das Textil aufgebracht und härtet anschließend aus. Allen hochwertigen Jacken ist jedoch gemein, dass alle Nähte durch ein innenliegend angebrachtes Textilband wasserdicht verschlossen sind, so dass auch an diesen Stellen kein Regen eindringen kann.
Einen effektiven Schutz vor einem Regenguss liefern zwar auch der klassische Friesennerz mit PVC- oder Polyurethan (PU) beschichtetem Baumwollgewebe - die Atmungsaktivität ist hier jedoch gleich Null, weswegen der Träger nach kurzer Zeit durch seinen eigenen Schweiß nass wird.
Da sich der Tragekomfort eines Kleidungsstückes nicht allein anhand des Augenscheins beurteilen lässt, hat sich in den letzten Jahren das Qualitätslabel der Hohensteiner Institute als Orientierungshilfe bei der Auswahl von Sport- und Funktionstextilien etabliert. Auf Basis verschiedener Laboruntersuchungen wird u. a. eine Tragekomfortnote im Schulnotensystem von 1 (sehr gut) bis 6 (ungenügend) vergeben, die einen qualitativen Vergleich von Produkten hinsichtlich Wärmeisolation, Atmungsaktivität und Hautsensorik erlaubt.
Wie Millionen von Freizeitsportler profitieren im Weltmeisterschaftsjahr auch die Fußballer der Welt von den vielfältigen Vorteilen moderner Funktionstextilien. Die Trikots sind optimal auf das Leistungslevel der Profis und die zu erwarteten Umgebungstemperaturen abgestellt und bieten damit ein Maximum an Tragekomfort. In den 1970er Jahren sah das noch anders aus: um die Flutlicht-Übertragungen im neuen Farbfernsehen möglichst brillant aussehen zu lassen, schwitzten die Fußballer in Trikots aus Chemiefasern der ersten Stunden. Deren kräftige Farben bildeten zwar einen Augenschmaus für die Zuschauer, boten den Trägern aber einen mehr als mangelhaften Tragekomfort.
Quelle: Bönningheim [ ri ]