Nitrit und die Haltbarkeit und Sicherheit erhitzter Fleischerzeugnisse

Kurzfassung eines Vortrages der 43. Kulmbacher Woche 2008

In den letzten Jahren bemüht man sich verstärkt, Fleischerzeugnisse zu entwickeln, die ohne Pökelstoffe (Nitrit und Nitrat) hergestellt werden. Gründe dafür sind zum einen die deutlich ansteigende Nachfrage nach Öko-Fleischerzeugnissen, zum anderen das „Negativ-Image“ von Konservierungsstoffen auch bei Verbrauchern, die selten oder nie Öko-Lebensmittel kaufen. Nitrit und Nitrat sind nur als Konservierungsstoffe zugelassen (also als „Stoffe, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern, indem sie sie vor den schädlichen Auswirkungen von Mikroorganismen schützen“ [RL 95/2/EG]) und müssen als solche kenntlich gemacht werden, obwohl sich diese Pökelstoffe bekanntlich auch und gerade positiv auf die sensorischen Eigenschaften der Fleischerzeugnisse auswirken (Pökelfarbe, Pökelaroma). Der vorliegende Beitrag fasst Daten zur Wirkung von Nitrit auf die Haltbarkeit und mikrobielle Sicherheit erhitzter Fleischerzeugnisse zusammen und nutzt sie zu einer Bewertung der Risiken, die sich aus einem Verzicht auf den Einsatz von Pökelstoffen ergeben könnten.

Die antimikrobielle Wirkung von Nitrit in Fleisch hängt maßgeblich vom pH-Wert und vom Eisengehalt ab. Sie fehlt daher in Blutwurst fast völlig und in Leberwurst weitgehend, vor allem, wenn letztere intensiver erhitzt wird. Bei anderen erhitzten Fleischerzeugnissen (also bei Brühwurst, Kochpökelwaren und vergleichbaren Produkten) leistet ein Nitritzusatz dann einen maßgeblichen Beitrag zur Produktsicherheit und Haltbarkeit, wenn die Verderbsflora gegenüber Nitrit empfindlich ist, die Produkte nicht mittels anderer „Hürden“ (wie pH-Wert, Wasseraktivität und/oder verlässliches Einhalten der Kühlkette) stabilisiert wurden, und unsichere Produkte in Distribution, Lagerung und Haushalt nicht sicher erkannt und somit noch verzehrt werden.

Da Nicht-Häm-Eisen eine Schlüsselrolle im Energiestoffwechsel von Clostridien einnimmt, sind diese relativ empfindlich gegenüber Nitrit, sodass der Schutz vor Botulismus als wesentliches Argument für die Nitritverwendung vorgebracht wird. Clostridien spielen aber als produktspezifische Flora nur bei solchen Erzeugnissen eine wesentliche Rolle, die in verschlossenen Behältnissen erhitzt wurden, denn sie entwickeln sich sehr viel langsamer als die typische Rekontaminationsflora auf „Frischware“, die im Darm, in anderen Hüllen oder als Aufschnitt angeboten wird. Somit ist bei der Herstellung von Brühwurstkonserven und vergleichbarer Erzeugnisse (z. B. Luncheon Meat in Dosen), die ohne Kühlung lagerfähig sein sollen, eine intensivere Erhitzung erforderlich. Bei Halbkonserven (einschließlich in der Packung nachpasteurisierter Produkte) sollte die Aufmachung so sein, dass der Verbraucher die Produkte mit ausreichend hoher Wahrscheinlichkeit im Kühlschrank lagert.

Die typische Rekontaminationsflora erhitzter, kühl gelagerter „Frischware“ ist wenig empfindlich gegenüber Nitrit. Dies gilt besonders für die Milchsäurebakterien, aber auch für Brochothrix thermosphacta. Die Vermehrung von Listeria monocytogenes auf Aufschnitt wird durch Nitrit ebenfalls nur wenig gehemmt. Es gibt jedoch Hinweise auf eine verkürzte Haltbarkeit von Brühwurst-Frischware, die ohne Nitrit hergestellt wurden. Diese Beobachtungen könnten allerdings teilweise auch mit unter-schiedlichen anfänglichen Keimzahlen und/oder der fehlenden antioxidativen Wir-kung des Nitrits erklärt werden, die besonders bei längerer Lagerung und Gegenwart von Luftsauerstoff wichtig ist.

In jüngerer Zeit werden Verfahren vorgestellt und teilweise auch schon eingesetzt, bei denen Wurstbrät mit nitrathaltigen pflanzlichen Zutaten und einer nitratreduzierenden Starterkultur vorinkubiert wird. Auf diese Weise könnte man die sensorisch erwünschten Wirkungen eines Nitritzusatzes erzielen, ohne Nitrit (oder Nitrat) als solches zusetzen und entsprechend deklarieren zu müssen. Unabhängig von einer endgültigen lebensmittelrechtlichen Bewertung ist jedoch zu beachten, dass bei diesem Verfahren nur so geringe Nitritmengen gebildet werden, dass von keiner wesentlichen antimikrobiellen Wirkung auszugehen ist.

Insgesamt kann gesagt werden, dass die antimikrobielle Wirkung des Nitrits dort, wo sie eine Rolle spielt, durch Modifikation der Rezepturen und Prozesse weitgehend ersetzt werden kann. Hingegen ist es schwierig, die Effekte des Nitrits auf die sensorischen Eigenschaften der Erzeugnisse und die abiotischen, oxidativen Veränderungen während der Lagerung zu kompensieren.

Hinweise für die Praxis haben wir in einem Leitfaden (Beck et al., „Herstellung von Öko-Fleisch- und Öko-Wurstwaren ohne oder mit reduziertem Einsatz von Pökelstoffen“; FiBL, Frankfurt/M. 2008) zusammengefasst, dessen Erstellung mit Mitteln aus dem Bundesprogramm Ökologischer Landbau (Projekt Nr. 06OE007) gefördert wurde.


Quelle: Kulmbach [ LÜCKE, F.-K. ]

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