Mittelmeer-Muscheln oft mit Hepatitis A verseucht

Fast 40% aller Muscheln aus dem Mittelmeer zeigen Verunreinigungen mit Hepatitis-A-Viren – etwa jede 5. Muschel ist beim Verzehr hochinfektiös. Das ist das beunruhigende Ergebnis von mehreren Studien, die die Qualität von Muscheln und Schalentieren aus dem Mittelmeer untersucht haben. "Diese Ergebnisse überraschen – sie sind aber sicherlich eine Erklärung dafür, warum ein Großteil der Hepatitis-A-Fälle, die nach Deutschland importiert werden, nach den Ferien auftreten", so Prof. Dr. med. Thomas Löscher, Leiter des Tropeninstitutes München.

Italienische Forscher vom Institut für Epidemiologie und Biostatistik der nationalen Gesundheitsbehörde in Rom untersuchten über drei Jahre lang die Qualität von Muscheln, die sie auf Fischmärkten in fünf verschiedenen Regionen Süditaliens gekauft hatten. Neben Bari, Brindisi und Foggia (Adriatisches Meer – Adria) gehörten Reggio Calabria sowie Neapel (Tyrrhenisches Meer) zu den Städten, die man für die Muschelproben ausgesucht hatte. Das erschreckende Ergebnis: Fast 20% aller Proben wurden von den Forschern als hochinfektiös eingestuft. Doch offenbar sind nicht nur Miesmuscheln aus Süditalien verunreinigt. Eine weitere Studie, die von der Universität von Barcelona im letzten Jahr veröffentlicht wurde, kommt zu ähnlichen Ergebnissen für andere Länder im Mittelmeerraum. Demnach konnten Hepatitis-A-Viren auch in vielen Schalentieren und Muscheln nachgewiesen werden, die aus Griechenland und Spanien stammten.

Immer wieder Gelbsuchtepidemien

Ausbrüche durch Hepatitis A - einer infektiösen Leberentzündung - treten gerade im südlichen Italien häufig auf. So infizierten sich in der Region um Neapel bis April diesen Jahres mehrere hundert Menschen mit dem Erreger der Gelbsucht - über 80 Menschen, darunter viele Kinder, mussten mit teilweise starken Beschwerden in Krankenhäuser eingewiesen werden. "Die Erkrankungen ereigneten sich fast zeitgleich in verschiedenen Kommunen der Region, wie zum Beispiel in Herculaneum (Ercolano) am Fuße des Vesuvs. Durch die Befragung der Erkrankten haben wir die möglichen Infektionsquellen eingegrenzt und so sind wir uns ziemlich sicher, dass mit Hepatitis-A-Erregern infizierte Muscheln diese jüngste Epidemie ausgelöst haben", erklärt Prof. Francesco Faella vom Krankenhaus Cotugno in Neapel. Die Behörden konnten durch Massenimpfungen ein weiteres Ausbreiten der Hepatitis A verhindern. Neben Fieber, Übelkeit und allgemeiner Abgeschlagenheit ist vor allem die Gelbfärbung von Haut und Augen typisch für die Erkrankung. Ausgelöst wird diese "Gelbsucht" durch eine Funktionsstörung der infizierten Leber - in der Folge lagern sich Gallenfarbstoffe in der Haut ab. Die Symptome klingen in der Regel innerhalb einiger Wochen wieder ab - in schweren Fällen kann eine Erkrankung aber zu einem längeren Krankenhausaufenthalt und in seltenen Fällen – insbesondere bei älteren Menschen oder bei Vorschädigung der Leber – zum Tode führen. Gegen eine Infektion mit Hepatitis-A-Viren gibt es keine Therapie.

Kein Hepatitis-Test bei Muscheln

Bei der Qualitätsprüfung, die alle großen Muschelproduzenten in Italien durchführen, werden Miesmuscheln, wie auch andere Muschelarten - z.B. Vongole oder Austern - nicht auf Kontamination mit Hepatitis-A-Viren untersucht. "Der Nachweis von Hepatitis-Viren in Schalentieren ist sehr aufwendig und in unserem Produktionsprozess nicht praktikabel", erläutert der Biologe Francesco Scamardella, Laborleiter bei IRSVEM, einem der größten Muschelproduzenten in der Region Campania. "Wir achten sehr auf die Qualität unserer Produkte, aber wir können nicht ausschließen, dass Muscheln mit Hepatitis A verseucht sind - außerdem empfehlen wir die Muscheln ausreichend zu kochen und nicht roh zu verzehren", so Scamardella weiter. "Bei Kindern verläuft eine Infektion oftmals nicht so schwer - wir konnten bei der jüngst abgelaufenen Epidemie alle erkrankten Kinder, die sich durch den Verzehr von Muscheln infiziert hatten, schon nach wenigen Tagen wieder entlassen. Bei Erwachsenen können allerdings Komplikationen auftreten - und natürlich sind Touristen aus dem Norden Europas besonders gefährdet, da man annehmen muss, dass sie im Laufe ihres Lebens nicht mit diesem Erreger in Kontakt gekommen sind. Diese Menschen können sich beim Muschelessen anstecken - es sei denn sie sind geimpft", warnt Faella, einer der führenden Infektiologen Italiens.

Tödliche Gefahr für Menschen mit Leberschäden

"Hepatitis A verläuft normalerweise harmlos - allerdings wissen wir, dass der Krankheitsverlauf mit zunehmendem Alter auch vermehrt zu Komplikationen führen kann. Wenn außerdem eine chronische Lebererkrankung, wie z. B. eine Fettleber vorliegt, kann eine Infektion mit dem Hepatitis-A-Virus einen lebensbedrohlichen Verlauf nehmen", erläutert Prof. Dr. med. Reinhart Zachoval von der Leberambulanz des Klinikums Großhadern in München. Nach Schätzungen der Deutschen Leberhilfe e.V. in Köln leiden ca. 5 Mio. Menschen in Deutschland an chronischen Lebererkrankungen. Ein Hepatitis-A-Ausbruch in den USA hat Ende letzten Jahres 4 Todesopfer gefordert. Alle Betroffenen waren stark übergewichtig und das älteste Opfer - eine 51-jährige Frau - litt an Diabetes. Die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut in Berlin empfiehlt deshalb Risikopatienten, sich gegen Hepatitis A und B impfen zu lassen.

Impfung für "Muschelesser" empfohlen

„Auch wer gerne Muscheln oder Schalentiere isst, sollte geimpft sein. Und wenn ich diese Ergebnisse sehe, bin ich froh, dass ich selbst geschützt bin," rät Professor Löscher. Eine Hepatitis-A-Impfung ist noch kurzfristig vor Reisebeginn möglich. Schon nach ca. 10-14 Tagen hat sich der Schutz aufgebaut. Aufgrund der langen Inkubationszeit (Dauer zwischen Ansteckung und Krankheitsausbruch) gibt sogar eine „Last-Minute"-Impfung kurz vor Abreise noch einen Schutz. Die Impfung selbst ist gut verträglich und schützt mindestens 1-2 Jahre. Eine weitere Impfung, normalerweise nach frühestens 6 Monaten, bietet dann einen Langzeitschutz für mindestens 10 Jahre.

Weitere Informationen zur Reisegelbsucht - Hepatitis A - sowie zu den empfohlenen Impfungen erhalten Sie bei www.fit-for-travel.de.

Quelle: München [ LMU ]

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