Seehofer: 10-Punkte Sofortprogramm als Konsequenz aus dem Fleischskandal beschlossen

In den letzten Wochen stellten Lebensmittelkontrolleure bei Routinekontrollen in großem Umfang nicht verkehrsfähiges Fleisch sicher. Teile der bisher beschlagnahmten Ware wurden umetikettiert und waren bereits in den Handel gelangt. Als Konsequenz aus diesen Vorfällen forderte der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV), Horst Seehofer, schnelle Schritte aller Beteiligten, um den "schwarzen Schafen" der Fleischwirtschaft das Handwerk zu legen.

"Wirtschaftliche Prozesse dürfen sich nicht nur auf Gewinnmaximierung reduzieren. Um das zu vermeiden, sind wir Politiker in der Verantwortung. Wir werden deshalb alles tun, um solch gewissenlosen Machenschaften das Handwerk zu legen," betonte Seehofer heute in Berlin.

Nach der gestrigen Bund-Länder Krisensitzung wurde als Konsequenz aus dem Fleischskandal ein 10-Punkte Sofortprogramm mit tief greifenden Maßnahmen beschlossen:

  1. Verbesserung des Informationsflusses:
    Für die Bewältigung derartiger Vorfälle und der daraus erwachsenden Ansprüche an die Kommunikation mit der Öffentlichkeit, den Mitgliedsstaaten der EU, der EU-Kommission und mit Drittstaaten, ist ein verlustarmer und schneller Informationsaustausch zwischen den Landesbehörden und den Bundesbehörden notwendig. Dazu soll das vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bereitgestellte EDV-System FIS-VL für die Dokumentation der Erkenntnisse in diesem Fall, aber auch in möglichen vergleichbaren künftigen Fällen ab sofort bereit gestellt werden. .Bei "FIS-VL" handelt es sich um eine Art elektronische Akte, in die Daten gemeldet werden. Das BVL wird die Daten täglich auswerten und zusammenfassen und dem BMELV sowie den Ländern zur Verfügung stellen.
  2. Meldepflichten:
    Die Meldepflichten in der VO (EG) 178/2002 sollen ausgeweitet werden. Und zwar auf Lebensmittelunternehmer, denen unsichere Lebensmitteln angeboten werden und die solche Lebensmittel zurückweisen. Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene für eine entsprechende Änderung der Verordnung einsetzen.
  3. Rückverfolgbarkeit
    Für so genanntes Kategorie 3-Material (aus lebensmitteltauglichen Ausgangsmaterialien stammende, aber nicht für den menschlichen Verzehr bestimmte Produkte) muss die Dokumentation bei Transporten verbessert werden, um die Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten und die Umdeklarierung zu Lebensmitteln zu erschweren. Dazu sollen die Abgangs- und Empfangsdokumente künftig zusammengeführt werden.
  4. Flächendeckende Kühlhausüberprüfung
    Die Überprüfung aller EU-zugelassenen Kühlhäuser in Deutschland wird kurzfristig abgeschlossen sein. Darüber hinaus kündigen die Bundesländer an, die Überwachungen auf weitere Kühl- und Lagerräume, die an Lebensmittel verarbeitende Betriebe angeschlossen sind, auszuweiten.
  5. Strafmaß:
    Der geltende Strafrahmen zur Sanktionierung von Verstößen gegen lebensmittelrechtliche und futtermittelrechtliche Bestimmungen muss konsequenter als in der Vergangenheit ausgeschöpft werden. Die Justizbehörden müssen mit geeigneten Maßnahmen (z.B. Fortbildungen) sensibilisiert werden.
  6. Mitteilungspflicht:
    Die Kommunikation zwischen Justiz- und Lebensmittelbehörden ist verbesserungsfähig. Deshalb soll die rechtliche Verankerung einer Mitteilungspflicht der Ermittlungsbehörden an Lebensmittelsicherheitsbehörden erfolgen. Die Justizministerkonferenz wird sich in ihrer nächsten Sitzung damit beschäftigen.
  7. Schwerpunkt-Ermittlungsbehörden:
    Zur Verbesserung der Ermittlung und der Strafverfolgung sollen Schwerpunkt - Ermittlungsbehörden in den Ländern gebildet werden.
  8. Risikobewertungen:
    Um die gesundheitliche Bewertung von Einzelfällen durch die zuständigen Behörden in den Ländern zu erleichtern, wird das BMELV koordinierend das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rechtzeitig mit den notwendigen Risikobewertungen beauftragen.
  9. Eigenkontrolle der Wirtschaft:
    Bundesminister Horst Seehofer wird weiterhin in einem Gespräch mit der Fleischwirtschaft und dem Handel die Wahrnehmung der Eigenkontrollverpflichtungen und deren Verbesserung durch die Wirtschaft selbst erörtern.
  10. Verbesserung der Lebensmittelkontrollen
    Weitere Schritte zur Beseitigung krimineller Aktivitäten im Fleischhandel sollen zeitnah, im Januar, auf Einladung des Bundes, mit allen Landesministerien besprochen werden.

Zusätzliche 10 Punkte zur Diskussion auf Ministerebene:

  1. Länderübergreifende Qualitätssicherung
    Das BMELV hält neben den länderinternen Qualitätssicherungsmaßnahmen für die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung eine länderübergreifende Qualitätssicherung für erforderlich. Das BMELV schlägt die Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe Auditierung beim BVL vor. Die Arbeitsgruppe soll im ersten Quartal 2006 ein Konzept für eine länderübergreifende Auditierung der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung erstellen.
  2. Überprüfung der Kapazitätsausstattung der Behörden
    Schwachstellen in der Überwachungstätigkeit sollen sicher ausgeschlossen und eine effektiver Einsatz der begrenzten Ressourcen der überwachenden Behörden sichergestellt werden. Dafür soll die Kapazitätsausstattung der Überwachungsbehörden kritisch überprüft werden. Die Länder sollen die Kapazitäten für die Lebens- und Futtermittelüberwachung auf Landes- und kommunaler Ebene kurzfristig erheben und untereinander vergleichen.
  3. Neuer Entwurf Verbraucherinformationsgesetz
    Zur Verbesserung des Informationsanspruches gegenüber den Behörden soll baldmöglichst der Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes vorgelegt werden. Es wird außerdem geprüft, wie die Namensnennung von Firmen, die Verstöße begangen haben, im Rahmen der Informationsmöglichkeiten im Lebensmittel- und Futtermittelgesetz erleichtert werden kann.
  4. Stufenlose Rückverfolgbarkeit
    Das System der Rückverfolgbarkeit erlaubt in den meisten Produktbereichen lediglich einen Rückgriff um jeweils eine Stufe. Hier ist zu prüfen, wie eine übergreifende Rückverfolgbarkeit in einem Schritt zu realisieren wäre.
  5. Preisdumping
    Um Preisdumping und damit den Preisdruck in der Lebensmittelproduktion zu vermindern, soll zuerst das Verbot, Waren unter dem Einkaufspreis zu veräußern, für den Lebensmittelbereich umgesetzt werden.
  6. Schärfere Sanktionen
    Mit den Ländern und dem Bundesjustizministerium soll besprochen werden, welche zusätzliche Wirkung sich mit einer Verschärfung der Sanktionsvorschriften im Lebensmittel- und Futtermittelrecht erzielen lässt.
  7. Bessere Kennzeichnung
    Schlachtabfälle, die nicht zum menschlichen Verzehr bestimmt werden müssen so gekennzeichnet werden, dass sie möglichst nicht zu Lebensmitteln umdeklariert werden können. Die Kennzeichnungsverfahren sollen mit den Ländern weiter erörtert werden.
  8. Informantenschutz
    Der Informantenschutz für Mitarbeiter aus der Lebensmittelwirtschaft muss verbessert werden. Hier ist die Einrichtung einer Anlaufstelle für vertrauliche Informationen zu prüfen.
  9. Nationales Schnellwarnsystem
    Zwischen Bund und Ländern ist die Einrichtung eines nationalen Schnellwarnsystems zu prüfen, in dem über entdeckte Verstöße gegen das Lebensmittel- und Futtermittelrecht zeitnah und unabhängig von krisenhaften Vorgängen zwischen den Ländern und den Bundesbehörden der Informationsaustausch stattfindet.
  10. Verstöße
    Mit den Wirtschaftsressorts von Bund und Ländern ist zu prüfen, wie sichergestellt werden kann, dass Verstöße gegen das Lebensmittel- und das Futtermittelrecht, dazu führen, dass die Zuverlässigkeit, die als Voraussetzung zur Erteilung einer Gewerbeerlaubnis gilt, in Zweifel gezogen wird. Dies gilt insbesondere, wenn die Erlaubnis, ein Gewerbe im Lebensmittel oder Futtermittelbereich zu betreiben beantragt wird.

Quelle: Berlin [ bmelv ]

Kommentare (0)

Bisher wurden hier noch keine Kommentare veröffentlicht

Einen Kommentar verfassen

  1. Kommentar als Gast veröffentlichen.
Anhänge (0 / 3)
Deinen Standort teilen