Bund und Länder beschließen einheitliche Qualitätstandards bei der Lebensmittelkontrolle
Verbraucherschutz-Ministerkonferenz verfasst 13-Punkte-Papier
Als Konsequenz aus dem neuen Gammelfleisch-Skandal wollen Bund und Länder bei der Lebensmittelkontrolle verstärkt kooperieren. Es soll bundesweit einheitliche Standards für Lebensmittelkontrollen geben. Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) und seine Länderkollegen verständigten sich bei einer Krisensitzung darauf, die teilweise noch sehr unterschiedlichen Standards für die Kontrollen zu vereinheitlichen.
Der Beschluss der für den Verbraucherschutz zuständigen Ministerinnen und Minister und Senatorinnen und Senatoren am 7. September 2006 in Berlin im Wortlaut:
Präambel
Die VSMK und der BMELV stellen fest, dass die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern klar geregelt sind. Die Länder und der Bund werden ihre Zusammenarbeit – auch bei der Durchführung der Lebensmittelkontrollen – fortsetzen und intensivieren. Bund und Länder werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine höhere Lebensmittelsicherheit zu erreichen, weisen aber darauf hin, dass es keine hundertprozentige Sicherheit geben wird.
Die VSMK beschließt einstimmig:
1. Länderübergreifende Qualitätssicherung mit Auditierung
Ein länderübergreifendes Qualitätsmanagement befindet sich bereits in der Umsetzung. Die Länder stimmen überein, auf der Grundlage der in der LAGV erarbeiteten einheitlichen Standards die Lebensmittelkontrolle risikobasiert durchzuführen. Sie tragen für eine risikobasierte Ausstattung der Lebensmittelüberwachungsbehörden Sorge. Sie führen dazu ein System der Qualitätssicherung bei der Kontrolle von Lebensmitteln ein, das eine Auditierung der Kontrollbehörden einschließt. Die Länder begrüßen, dass die Bundesregierung die von der LAGV erarbeiteten Unterlagen in den Entwurf der AVV Rahmenüberwachung aufgenommen hat.
2. Namen nennen
Der im Gesetzgebungsverfahren befindliche Entwurf des Verbraucherinformationsgesetzes wird die Transparenz für die Verbraucherinnen und Verbraucher verbessern und eröffnet die Möglichkeit, Namen von Unternehmern zu nennen, die gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister und -senatorinnen und -senatoren vereinbaren eine Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes, insbesondere in der Anwendung der Ausschluss- und Beschränkungsgründe des § 2, und überprüfen, ob die einschränkenden Bestimmungen der Informationsrechte und -pflichten der Behörden nicht der Intention zuwider laufen, Verstöße tatsächlich offen zu legen und Schwarze Schafe zu nennen.
Der Bund und Länder werden unverzüglich Auslegungshinweise für die unbestimmten Rechtsbegriffe des § 40 LFGB erstellen, um so den Behörden Rechtssicherheit für öffentliche Warnungen zu geben.
3. Strafrahmen konsequent ausschöpfen, überprüfen und falls erforderlich erhöhen
Die VSMK bekräftigt die Forderung, dass der geltende Strafrahmen zur Sanktionierung von Verstößen gegen lebensmittel- und futtermittelrechtliche Bestimmungen konsequenter als in der Vergangenheit ausgeschöpft werden muss; dies gilt insbesondere aber auch für vorläufige strafprozessuale Maßnahmen im Ermittlungsverfahren (z.B. Beschlagnahme, vorläufiges Berufsverbot). Die Zusammenarbeit zwischen Lebensmittelüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden muss darüber hinaus verbessert werden.
Die VSMK begrüßt in diesem Zusammenhang den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnhilfe und der Vermögensabschöpfung, das gerade bei Straftaten mit lebensmittelrechtlichem Hintergrund von Bedeutung ist. Mit der Gewinnabschöpfung bei Straftaten im Lebensmittelrecht wird ein wirksames Mittel zur Verfügung gestellt, um den unerträglichen Zustand zu beseitigen, dass Gewinne aus illegalen Geschäften nicht noch beim Täter verbleiben.
Die Länder bitten im Zusammenhang mit den vorgesehenen Änderungen der lebensmittelrechtlichen Straf- und Bußgeldverordnung alsbald vorzulegen und den Strafrahmen zu überprüfen und ggf. zu erhöhen. Die entsprechenden bundesrechtlichen Vorgaben müssen umgehend umgesetzt werden. Dies betrifft die Bewehrung von Verstößen gegen das EU-Hygienepaket (Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene und 853/2004 mit spezifischen Vorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs) und anderer unmittelbar geltender Gemeinschaftsrechtsakte.
4. Schwerpunkt-Ermittlungsbehörden
Die Länder setzen sich dafür ein, dass in allen Ländern Schwerpunkt-Ermittlungsbehörden für Straftaten auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts eingerichtet werden.
5. Verbesserung des Informationsmanagements
Die VSMK begrüßt, dass mit dem EDV-gestützten Fachinformationssystem Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (FIS-VL) mittlerweile eine Plattform geschaffen worden ist, die einen schnellen Informationsaustausch zwischen Landesbehörden und Bundesbehörden sicherstellt. Sie bekräftigt die Notwendigkeit, auch den Vollzugsbehörden, den Zugang zu dieser Plattform zu ermöglichen.
6. Verbesserung der Zusammenarbeit der Lebensmittelüberwachungs- und der Strafverfolgungsbehörden
Weiterhin begrüßt die VSMK, dass im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der Verbraucherinformation die Mitteilungspflicht der Ermittlungsbehörden an die Lebensmit-telüberwachungsbehörden gesetzlich verankert und damit einer Forderung der Länder entsprochen wird. Die VSMK bekräftigt, dass ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zwischen Lebensmittelüberwachungs- und Strafverfolgungsbehörden, der insbesondere der besseren Anwendung lebensmittelrechtlicher Vorgaben dient, zwingend notwendig ist. Die VSMK bittet die Justizministerkonferenz zu prüfen, inwieweit eine notwendige Beteiligung der Veterinärverwaltung ins lebensmittelrechtlichen Verfahren in Anlehnung an § 39 JGG und § 403 AO gesetzlich verankert werden kann.
7. Zuverlässigkeitsprüfung für Lebensmittelunternehmer
Die Möglichkeit, die Zulassung von zulassungspflichtigen Betrieben zu entziehen oder ruhen zu lassen, reicht nicht aus, Verantwortliche von Betrieben von der Begehung von Straftaten im Lebensmittelrecht abzuhalten. Die VSMK bittet die Wirtschaftsministerkonferenz zu prüfen, wie sichergestellt werden kann, dass den Verantwortlichen bei wiederholten oder gravierenden Verstößen gegen das Lebensmittelrecht die Fortführung der Tätigkeit wegen Unzuverlässigkeit untersagt werden kann. Dies gilt insbesondere im Fall der Erlaubnis, ein Gewerbe im Lebensmittelrecht zu betreiben. Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister und -senatorinnen und -senatoren sprechen sich dafür aus, dass die Zuverlässigkeit von Lebensmittelunternehmern überprüft wird, und bitten den Bund, Regelungen zur Sicherstellung der persönlichen Zuverlässigkeit für Lebensmittelunternehmer in Abstimmung mit den Ländern zu entwickeln und in die nationalen Regelungen zur Anpassung an das EU-Hygienepakets aufzunehmen. Eine regelmäßige Überprüfung der Zuverlässigkeit ist vorzusehen.
Von Lebensmittelunternehmern (insbesondere dem Lebensmittelhandel) wird derzeit kein Sachkundenachweis verlangt. Deshalb wird der Bund aufgefordert zu prüfen, welche Anforderungen an die Sachkunde insbesondere des Lebensmittelhandels gestellt werden müssen.
8. Eigenkontrollen der Wirtschaft verbessern
Die Verbraucherschutzministerinnen und -minister und -senatorinnen und -senatoren erwarten, dass alle Lebensmittelunternehmen sich der Verpflichtung zu Eigenkontrollen stellen und zügig die Anforderungen nach dem EU-Hygienepaket umsetzen. Die VSMK wird in regelmäßigen Abständen Gespräche mit Verantwortlichen der Wirtschaft führen, um die Umsetzung zu erörtern. Private Zertifizierungssysteme der Wirtschaft sind dabei ein wichtiger Beitrag für mehr Sicherheit und Qualität bei Lebensmitteln und spielen bei der Risikoeinstufung der Betriebe eine wichtige Rolle.
9. Preisdumping
Der hohe Wettbewerbsdruck im Fleischmarkt führt nicht selten zu Dumping-Preisen, die dem Wert der Produkte nicht gerecht werden.
Ursachen sind unter anderem
- ein weitgehend gesättigter Markt,
- ein strukturelles Überangebot in bestimmten Produktkategorien und
- ein Überhang an Verkaufsflächen im Lebensmitteleinzelhandel.
Die VSMK bittet die Wirtschaftsministerkonferenz zu prüfen, wie im Kartellrecht wirksam geregelt werden kann, dass Ware grundsätzlich nicht unter dem Einstandspreis verkauft werden darf.
10. Meldepflichten
Die von den Ländern initiierte Erweiterung der Meldepflicht nach dem EU-Recht auf alle Lebensmittelunternehmer, denen unsichere Lebensmittel angeboten oder geliefert werden, ist schnellstmöglich umzusetzen. Die VSMK begrüßt, dass die EU-Kommission mittlerweile reagiert und zugesagt hat, dies bei der nächsten Änderung des EU-Rechts aufzunehmen.
11. Kodierung von Lebensmitteln zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit
Eine Kodierung bei verpackten Lebensmitteln auf EU-Ebene, die eine effektivere und schnelle-re Rückverfolgbarkeit ermöglicht, muss eingeführt werden.
12. Rückverfolgbarkeit
Die VSMK begrüßt die Verordnung zur Durchführung des Tierische-Nebenprodukte-Beseitigungsgesetzes vom 27. Juli 2006. Sie hat die Dokumentation für den innerstaatlichen Transport von Produkten, die aus lebensmitteltauglichen Ausgangsmaterialien stammen, aber nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind (Kategorie 3-Material) deutlich verbessert und damit ein praxistaugliches Dokument geschaffen. Sie bittet die Bundesregierung, sich auf europäischer Ebene für eine entsprechende praxistaugliche Änderung der Bescheinigung nach der Verordnung (EG) Nr. 1774/2002 einzusetzen. Weiterhin bittet sie die Bundesregierung, entsprechend den Beschlüssen der VSMK vom Februar 2006 Verfahren der Kennzeichnung von Kategorie 3-Material zu entwickeln und deren Zulässigkeit mit der EU-Kommission zu klä-ren.
13. Erwartungen an die EU-Präsidentschaft
Die Länder bitten das BMELV im Rahmen der Übernahme der EU-Präsidentschaft die Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit als Schwerpunktthema aufzunehmen mit dem Ziel einer EU-weiten Harmonisierung, der Herstellung von Transparenz und Sicherung höherer Verbraucherschutzstandards.
Quelle: Berlin [ bmelv ]